„Contre cœur“ von der Leyen gewählt, von neuer EU-Kommission positiv überrascht

Ursula von der Leyen durfte ich vor acht Jahren in Wien zum ersten Mal begegnen. Ich war und bin begeistert davon, wie diese siebenfache Mutter (dieses Faktum würde ich selbstverständlich auch bei einem Mann besonders erwähnen) und Ärztin sich in die Politik eingearbeitet hat und zur Gestalterin anhand klarer und transparenter Haltungen und Ideale geworden ist.

Dennoch habe ich sie im Juli mit der sprichwörtlichen „Faust in der Hosentasche“ zur Kommissionspräsidentin gewählt, also „contre cœur“, wie man auf Französisch sagt. – Warum? Weil durch den französischen und den ungarischen Regierungschef als krasse Minderheit im Europäischen Rat das Europäische Parlament, das die einzige direkt gewählte Institution ist, das im Namen der Bürgerinnen und Bürger spricht, das einen transparenten Prozess zur Bestellung der neuen Verwaltungsspitze in der EU-Kommission eingeleitet hatte, ausgebremst worden ist. So kam es überhaupt erst zu dem Vorschlag, Ursula von der Leyen zur Kommissionspräsidentin zu machen.

Aber: Dass der Weg zu diesem Vorschlag haarsträubend war, ändert nichts an ihrer Qualifikation. Und sie hat vor ihrer Wahl im Europäischen Parlament klar gesagt, dass es in Zukunft einen klaren Prozess der Spitzenkandidaturen und einen für alle EU-Bürgerinnen und -Bürger transparenten Weg zur Bestellung der neuen Spitze der EU-Kommission geben muss, und dass sie dazu beitragen wird. Das habe ich ihr geglaubt. Aus diesen Gründen – wegen ihrer Qualifikation und wegen ihres Verständnisses für den Parlamentarismus – habe ich sie gewählt.

Und die vergangenen Monate haben für mich gezeigt, dass die Entscheidung, sie zu wählen, richtig war. Denn sie hat die vier Hürden, die aus der Perspektive des Julis fast unüberwindlich erschienen waren, mit großer Sicherheit und Eleganz bewältigt:

  • Sie hat Gender-Balance in der neuen EU-Kommission hergestellt.
  • Sie hat im politischen Gewicht der Ressorts in der neuen EU-Kommission einen Ost-West-Ausgleich geschafft.
  • Sie hat – zumindest für jene Ressorts, die ich überblicken kann, weil ich mich intensiv an den Hearings der Kandidatinnen und Kandidaten beteiligt habe – qualifizierte Persönlichkeiten vorgeschlagen bzw. Persönlichkeiten, die ihr – auch wieder durch den Europäischen Rat! – vorgegeben waren, mit Agenden ausgestattet, in denen sie eher ihre Stärken ausspielen können und weniger durch ihre Schwächen Schaden anrichten werden.
  • Sie hat in ihrem Programm – das sich in der Ressortaufteilung der neuen EU-Kommission und in den „Mission Letters“ für die einzelnen Kommissionsmitglieder ausdrückt – erstaunliche Klarheit zum zukünftigen Weg Europas bewiesen.

Diese Woche werden wir im Plenum des Europa-Parlaments über die EU-Kommission in ihrer Gesamtheit abstimmen und ihr ein Mandat für ein halbes Jahrzehnt Leadership für Europa geben. Das ist eine große Sache. Das nehme ich nicht auf die leichte Schulter. Deshalb habe ich mich intensiv mit den Plänen und Personen, mit den Programmen und Projekten beschäftigt, um auch mit meiner Stimme der Kommission guten Gewissens einen Startschuss zu geben. Auf meine Erwartungen an die neue EU-Kommission gehe ich noch in einem weiteren Blog-Eintrag ein.

25. November 2019 Blog

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