„Religionsfreiheit zu verteidigen ist vorrangige politische Aufgabe“

EKV-Präsident EU-Abgeordneter Lukas Mandl über das Religio-Prinzip, den Kampf für Religionsfreiheit und gegen politischen Missbrauch von Religionen sowie über die Zeugnisse von Mitchristinnen und -christen, die verfolgt werden, und die Seligsprechung eines CVers am 15. Mai.

Dieses Interview erschien in der Frühjahrs-Nummer des Magazins des „Vororts“ des Österreichischen Cartellverbandes (hier zum Download).

Was verbindest Du mit dem Religio-Schwerpunkt des Vororts?

Sehr viel. Das Religio-Prinzip ist nicht Kollateralbestandteil unseres Selbstverständnisses. Es ist Kernbestandteil. Da das christliche Menschenbild den Rest grundlegt, etwa die Ideen von Menschenwürde und freiem Willen für Amicitia, Patria und natürlich Scientia, ist das Religio-Prinzip wohl das prägende, initiale. Es geht nicht um Äußerlichkeiten, sondern um den Glauben, der sehr persönlich ist, aber nicht privat. Es begeistert mich, dass der Vorort seinen Schwerpunkt für Sicherheit und Glaube in unserem Anspruch, dem „Schutze der Altäre“ zu dienen, wie es in der ÖCV-Hymne heißt, kulminieren lässt. Altäre zu schützen bedeutet auch, für Religionsfreiheit zu kämpfen.

Warum ist Dir Religionsfreiheit so wichtig?

Auch weil Christinnen und Christen die bei weitem größte aufgrund ihres Glaubens verfolgte Gruppe sind, mehr als 300 Millionen sind Verfolgungen ausgesetzt, aber bei weitem nicht nur deshalb. Einem Menschen den Glauben nehmen zu wollen, etwa die Glaubenspraxis mit Gewalt zu unterbinden; Freiheiten zu nehmen, wie jene, über den Glauben zu sprechen oder Kinder im Glauben zu erziehen, das kann Menschen zerstören. Es ist ein übler Angriff auf die Würde des Menschen. Es geschieht aber tagtäglich in riesigem Ausmaß, gegen Gläubige verschiedener Religionen. Wir haben in Teilen Europas eine eingeschränkte Sicht. Für die meisten Menschen gehört der Glaube zum Kern ihrer Identität, vielfach ist er sogar der Kern schlechthin. Das tägliche Erleben in unseren Gesellschaften spiegelt das nicht wider. Deshalb sollten wir den Horizont weiten und genau hinsehen.

Welche Lösungsansätze verfolgst Du in der parlamentarischen Arbeit?

Die Aktivitäten lassen sich in diesen fünf Punkten zusammenfassen. Erstens: Verfolgung aus religiösen Gründen gibt es vielfach in autoritären Regimen. Wir unterstützen das Freiheitsstreben von Bürgerinnen und Bürgern in solchen Systemen. Aber nicht nur autoritäre Regime sind betroffen, wenn man etwa an Indien denkt, wo ich gerade einen inhaftierten Jesuiten unterstütze. In 74 Ländern werden Christinnen und Christen wegen ihres Glaubens verfolgt. Im Vorjahr wurden 4761 ermordet, das war ein Anstieg um fast zwei Drittel. Zweitens: Wir unterstützen zivilgesellschaftliche Institutionen, die für Religionsfreiheit kämpfen. Drittens: Wir haben einen neuen EU-Sanktionsmechanismus durchgesetzt, durch den Sanktionen gegen verantwortliche Einzelpersonen verhängt werden können. Viertens: Ich kooperiere mit Kolleginnen und Kollegen weltweit, die sich hier engagieren, besonders am Capitol Hill. Fünftens: Ich dränge mit allen Instrumenten des parlamentarischen Werkzeugkastens die EU-Kommission, dass sie die Sonderbeauftragung für Religionsfreiheit erneuert. Seit dem Ende des Mandats von Jan Figel 2019 ist die Stelle unbesetzt. Mit Figel hat unsere Parlamentariergruppe sich auf eine bessere Ressourcenausstattung verständigt. Im Vergleich zu jenem der USA steckt das EU-Engagement noch in den Kinderschuhen. Ursula von der Leyen hat versichert, die Stelle zu erneuern. Den Worten sind aber noch keine Taten gefolgt.

Du warst für BPUR (Ban of Political Use of Religion) der erste Vertreter in Österreich. Worum geht es?

Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus aller Welt und unterschiedlichen Denkrichtungen vernetzen sich, um Religion ihren Platz zu geben und den politischen Missbrauch von Religion zu unterbinden. Nicht erst seit den Anschlägen im Herbst in Frankreich und bei uns in Österreich ist es klar, dass der islamistische Terror und der politische Islam klar beim Namen genannt werden und bekämpft werde müssen. Das ist klar vom Islam als Religion zu unterscheiden. Die Freiheit zu verteidigen ist eine vorrangige politische Aufgabe. Das gilt besonders für die Freiheit der Religion. Wenn Religionen politisch vereinnahmt werden, schadet das der Gesellschaft und den Religionen selbst. So definiert die Christdemokratie ideengeschichtlich einen ethischen Anspruch aus dem christlichen Welt- und Menschenbild, niemals eine Art kirchliche Politik, wie etwa die zeitgenössischen Programmatiker Thomas Köhler und Kbr. Christian Mertens stets betonen. Wir arbeiten daran im Europaparlament unter der Leitung des französischen Delegationsleiters Francois-Xavier Bellamy. Er ist ein bemerkenswerter junger katholischer Philosophiegelehrter.

Was verbindest Du persönlich mit Mitchristinnen und -christen, die unter Verfolgung leiden?

Ich bin dankbar, dass die Gläubigen aller Religionen in Europa den Glauben frei leben können, wobei wir ein Ansteigen des Antisemitismus wahrnehmen, was uns zum Handeln gegen diese Ideologie bewegen muss. Ich empfinde es als Glück, dass uns katholischen Christinnen und Christen in Österreich das Wirken der Kirche beinahe an jeder Ecke offensteht. Besonders berührt hat mich das Gespräch mit Imacullée Ilibagiza. Sie hat als katholische Christin den Genozid in Ruanda überlebt, indem sie mehr als drei Monate mit anderen Personen in einem kleinen Raum versteckt war. Ihre gesamte Familie wurde ermordet. Sie hat den Mördern verziehen. Im Gespräch mit ihr merkt man, wie die Kraft der Liebe, des Glaubens und des Verzeihens in ihr über Zorn- oder Rachegefühle gesiegt hat. Es macht demütig, zu merken, dass wir in unserer vergleichsweise heilen Welt Kleinigkeiten kaum verzeihen.

Setzt wie der Vorort auch der EKV einen Religio-Schwerpunkt?

So breit wie der Vorort schaffen wir das nicht. Aber der EKV als kleine, feine Vernetzungseinheit kann Impulse setzen. Wir waren vor der Pandemie in der Planung für „Tage der Inspiration“ für Kartellgeschwister. Ein außergewöhnliches Ereignis ist die Seligsprechung eines CVers am 15. Mai in Rom: Kbr. Pater Jordan, Gründer des Salvatorianer-Ordens, war Mitglied der Arminia zu Freiburg im Breisgau. Seine Biografie betont besonders seinen weiten Horizont, den ihm viele Reisen in andere Teile der Welt eingebracht haben. Nicht zuletzt in dem universalen Zugang ist er ein Vorbild für uns.

20. März 2021 Blog EU, EU-Parlament, Europäische Union, Freiheit und Verantwortung, Freiheitsrechte, Glauben, Glaubensleben, Menschenwürde, miteinander, Religion, Religionsfreiheit

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