Burjan-Gedenkmesse mit Aufruf zu überparteilicher Zusammenarbeit (katholisch.at)

Wien, 11.06.2018 (KAP) Politiker verschiedener Parlamentsparteien haben in Wien am Montag der Sozialreformerin Hildegard Burjan (1883-1933) gedacht. Mandatare des Nationalrats, des EU-Parlaments und des Wiener Gemeinderates feierten gemeinsam mit Vertreterinnen der von Burjan gegründeten Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis (CS) und Pfarrer Andreas Kaiser aus Wien-Ober-St.-Veit einen Gottesdienst in der Deutschordenskirche anlässlich Burjans Gedenktag am 12. Juni. Die Tradition der Politikermessen im Gedenken an die erste seliggesprochene demokratische Politikerin besteht seit mittlerweile sechs Jahren.

Hildegard Burjan habe sich fernab von parteipolitischem Kalkül für die Schwächsten der Gesellschaft eingesetzt und dafür die Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweggesetzt, hieß es in einer von den Politikern vorgetragenen Fürbitte, bei der um die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts gebeten wurde. Weitere Gebetsanliegen drehten sich u.a. um Treue zum Idealismus, um mehr Liebe in der Politik unabhängig von Geburtsort, Sprache oder sozialer Schicht sowie um Mut zum Einsatz gegen die „Mauer der Gleichgültigkeit“ – ein Anliegen von Papst Franziskus, für den ebenfalls gebetet wurde. Burjan sei ein „Zeichen der Zuversicht“ gewesen, betonte Pfarrer Kaiser in seiner Predigt. Von der Not der Menschen bewegt, habe sie Visionen entwickelt und diese „nicht hinausposaunt, sondern konsequent in mühevoller Überzeugungsarbeit auch umzusetzen versucht zum Wohle der Menschen, für die sie sich als Politikerin und Christin verantwortlich wusste“. Visionen zu entwickeln und damit „herauszuleuchten – nicht um seiner selbst willen, sondern um der Menschen willen“, sei die große Kunst der Politik und heute noch schwieriger als zu Burjans Zeiten.

Politiker zu sein sei eine erschöpfende Aufgabe – „gerade wenn das Amt eines Volksvertreters auch wirklich als Dienstamt gesehen wird“, hielt Kaiser fest. Viele echte Sorgen, Nöten, Fragen und auch Orientierunglosigkeiten würden an die Mandatare herangetragen, die einen „Ruheplatz“ nötig hätten. Burjan habe diesen in der Kirche Wien-Hietzing gefunden, wo sie vor Parlaments- und Gemeinderatssitzungen immer wieder kurz eingekehrt sei und vor dem Tabernakel gebetet habe. „Hier schenkte mir der Herr die größten Gnaden, hier wurde mir vieles klar“, zitierte Kaiser aus Burjans Memoiren. Ein derartiges „Auftanken“ lasse neue Visionen entstehen und gebe Kraft zu deren Umsetzung, so Kaiser.

 

Initiative von Politikern

Die diesjährige Burjan-Gedenkmesse kam auf Initiative des EU-Mandatars Lukas Mandl (VP) zustande. Unter den Teilnehmenden und Mitwirkenden waren u.a. die Abgeordneten Wolfgang Gerstl und Gudrun Kugler (VP), Philipp Schrangl (FP), die Wiener Landtagsabgeordnete Peko Baxant (SP) und Wolfgang Ulm (SP) sowie ehemalige Bundespolitiker wie Andreas Karlsböck (FP) oder Ex-Ministerin Maria Rauch-Kallat (VP). Den Gottesdienst in der Deutschordenskirche feierten zudem auch Familienverbands-Präsident und ORF-Stiftungsrat Alfred Trendl sowie die Generalleiterin der Caritas Socialis (CS), Sr. Susanne Krendelsberger, CS-Schwester Sr. Karin Weiler, Burjan-Biografin und Vize-Postulatorin Ingeborg Schödl und Pfarrer Martin Rupprecht aus der Pfarre „Hildegard Burjan“ mit. Rupprecht hatte bisher zweimal den Politiker-Gottesdienst geleitet – sowie davor Kardinal Christoph Schönborn (2012), Nuntius Peter Stephan Zurbriggen (2013), Caritas-Präsident Michael Landau (2014) und der Bischofskonferenz-Generalsekretär Peter Schipka (2017).

 

Sozialpionierin und Ordensgründerin

Hildegard Burjan (geb. Freund) wurde am 30. Jänner 1883 in sächsischen Görlitz in eine liberale jüdische Familie geboren. Mit ihrem Gatten Alexander übersiedelte sie 1909 nach Wien und begann sich hier, intensiv für die Randgruppen der Gesellschaft zu engagieren. Nach Heilung von einer schweren Krankheit konvertierte sie zur katholischen Kirche und ließ sich taufen. 1912 gründete Burjan den „Verband der christlichen Heimarbeiterinnen“ und 1918 den Verein „Soziale Hilfe“.

Als Frauen 1919 erstmals das aktive und passive Wahlrecht ausüben konnten, zog Burjan als erste christlich-soziale Abgeordnete in das Parlament ein. Als verheirate Frau und Mutter gründete sie im selben Jahr die geistliche Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis, mit dem Auftrag, soziale Not der Zeit zu erkennen und zu lindern. Burjan setzte sich entschieden für die Gleichberechtigung der Frau, für die Bekämpfung der Kinderarbeit und für die Überwindung sozialer Missstände ein. Obwohl sie nur kurze Zeit dem Parlament angehörte, galt sie schon bald als dessen „Gewissen“. Burjan stellte sich dem Elend großer gesellschaftlicher Schichten und verschloss vor Jugendkriminalität, Verwahrlosung und Prostitution nie die Augen.

Als im Jahr 1920 Neuwahlen bevorstanden, zog sich Burjan aus Rücksicht auf ihre stark angeschlagene Gesundheit und wegen der zunehmenden antisemitischen Strömungen auch innerhalb ihrer Partei aus dem Parlament zurück, blieb aber weiter politisch aktiv. Hildegard Burjan starb am 11. Juni 1933 an einem schweren Nierenleiden. Sie wurde als weltweit erste Volksvertreterin seliggesprochen – am 29. Jänner 2012 im Wiener Stephansdom. Ihre von Ingeborg Schödl verfasste Biografie erschien soeben in spanischer Übersetzung und wurde Ende Mai im Madrider Parlament präsentiert.

Eine lebendige Erinnerung an Burjan bleibt auch das Wirken der Caritas-Socialis-Einrichtungen, in denen heute 900 Mitarbeiter und Schwestern mit rund 300 ehrenamtlich Engagierten und 500 Praktikanten Menschen am Beginn und am Ende des Lebens unterstützen und so den Gründungsauftrag Hildegard Burjans erfüllen. In Wien bietet die CS professionelle Pflege und Betreuung für alte und chronisch kranke Menschen an. Zu den bekanntesten Einrichtungen zählt das CS Hospiz Rennweg, daneben führt die CS aber auch Kindergärten und Horte und ein Mutter-Kind-Haus für Mutter und Kind. „Caritas Socialis“-Schwestern wirken nicht nur in Österreich, sondern auch in Südtirol, Deutschland und Brasilien.

Quelle: https://www.katholisch.at/aktuelles/2018/06/11/burjan-gedenkmesse-mit-aufruf-zu-ueberparteilicher-zusammenarbeit

 

 

12. Juni 2018 Allgemein

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