Finnland, Österreich, Schweden: Rück- und Ausblick nach 25 Jahren EU-Mitgliedschaft

Österreich ist zusammen mit Finnland und Schweden der EU beigetreten – am 1. Jänner jährt sich dieses Ereignis zum 25. Mal. Dieses Jubiläum habe ich zum Anlass genommen, die Botschafter dieser Länder in Straßburg zu einem Gespräch im Rahmen der „Happy Hour Of Free Speech“ einzuladen. Das ist eine Stunde der offenen Diskussion, die ich in jeder Plenarwoche des Europa-Parlaments veranstalte, jeweils am Donnerstag von 9 bis 10 Uhr.

 

Friede, Sicherheit, Erweiterung

Der schwedische Botschafter Marten Ehnberg und unser Österreicher Gerhard Jandl haben beeindruckende Referate gehalten und sich auf zwei der wichtigsten Themen für die Gegenwart und die Zukunft aller Europäerinnen und Europäer konzentriert: Auf die Erweiterung sowie auf Sicherheit und Verteidigung.

Unter meinen Kolleginnen und Kollegen, die teilgenommen haben, hat sich David Lega aus Schweden mit einigen Hinweisen zum elementaren und letztlich entscheidenden Thema des guten, harmonischen und friedlichen gesellschaftlichen Miteinanders nach Jahrhunderten der Kriege und der Gewalt geäußert.

 

Schweden ist „Fürsprecher der Erweiterung“

Es war bemerkenswert, dass Ehnberg sein Referat anlässlich der 25jährigen Mitgliedschaft seines Landes zum Anlass für eine Zukunftsaussicht auf die Erweiterung genommen hat. Ehnberg war vor seiner Mission in Straßburg für Schweden in der Ukraine gewesen.

„Wir sind Fürsprecher der Erweiterung“, betonte Ehnberg.  Schweden sei – wie Österreich – durch eine Volksabstimmung über den Beitrittsvertrag ein EU-Mitgliedsstaat geworden. Auch heute sei die Zustimmung zur europäischen Integration in Schweden eine er höchsten im EU-weiten Vergleich. Da Schwedens Wirtschaft und Arbeitsplätze zu rund 50 Prozent vom Export abhingen – in Österreich sind es sogar zwei Drittel! – sei es klar, dass Schweden ein starker Befürworter des freien Handels ist. Die EU sei daher entscheidend für den Wohlstand und die Chancen der Menschen in Schweden.

Dass das für Österreich als Binnenland mit vielen Nachbarstaaten mindestens ebenso gilt, kann nicht oft genug betont werden.

In der Ukraine sei die Zustimmung zur europäischen Integration in der Bevölkerung sehr hoch. „Diese Zustimmung ist seit der Unabhängigkeit immer weiter und weiter gestiegen“, so der schwedische Diplomat. Und das sei nur ein Beispiel, dieser Befund gelte für viele andere potenzielle neue EU-Mitgliedsstaaten. In diesen Staaten seien engagierte Menschen „Tag und Nacht damit beschäftigt, für Reformen etwa im Justizsystem und in allen Gesellschaftsbereichen zu arbeiten“, betonte Ehnberg.

Ich kenne das vor allem aus der Republik Kosovo, aber auch aus den anderen fünf Westbalkan-Staaten, aus langjähriger Erfahrung.

Diesen Staaten die Tür zu verschließen sei „kontraproduktiv“. Das „Momentum“ könnte verloren gehen. Seitens der heutigen EU-Mitgliedsstaaten seien Befürchtungen unangebracht, da es für die Mitgliedschaft ohnehin klare Kriterien gebe, die erfüllt werden müssen.

Mich freut diese klare Stellungnahme von schwedischer Seite besonders. Denn die EU hat in den vergangenen Monaten einige schwere Fehler gemacht im Umgang mit den potenziellen zukünftigen Mitgliedsstaaten, was gegen die Interessen Europas, gegen die Stärke der EU auf dem globalen Parkett, gegen die Chanen und die Sicherheit der Europäerinnen und Europäer ist. Schweden gehört zu jener Mehrheit der Mitgliedsstaaten, die hier eine konstruktive Haltung einnehmen.

 

Sicherheit und Verteidigung: Europa muss reif und selbstständig werden

Unser österreichischer Botschafter Gerhard Jandl betonte in seinem Referat, dass Schweden und Österreich in diesen Fragen gleichgesinnt seien.

Jandl fokussierte in seinem Vortrag die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU – also jenes Feld, in dem – neben dem Arbeitsmarkt! – meine Arbeitsschwerpunkte im Europa-Parlament liegen. Jandl war zehn Jahre lang der Direktor unseres rot-weiß-roten Außenministeriums für Sicherheitspolitik gewesen.

Jandl ging auf die Säulen der gemeinsamen EU-Sicherheits- und -Verteidigungspolitik (CSDP – Common Security and Defence Policy) ein. Er sprach besonders über CARD (Comman Annual Review on Defence) zur jährlichen Überprüfung der Fortschritte für die Selbstständigkeit Europas in Sachen Sicherheit und Verteidigung. CARD sei ein wichtiges Instrument zur Abgleichung der einschlägigen Politiken der Mitgliedsstaaten.

Freilich betonte Jandl auch, dass rund 80 Prozent der EU-Mitgliedsstaaten auch NATO-Mitgliedsstaaten seien.

Auch ich bin der Meinung, wir sollten nicht vergessen, dass wir tagtäglich vom Sicherheitsschirm profitieren, den uns die NATO bietet. Innerhalb dieses Sicherheitsrahmens muss Europa aber reif, selbstständig und aus eigener Kraft krisenfest werden.

Jandl ging auch auf den EDF ein (European Defence Fund). Dieser Europäische Verteidigungsfonds soll mit dem neuen Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR oder MFF – Multiannual Financial Framework) erstmals ins Leben gerufen werden. Etwa ein Fünftel der Finanzierung wird aus dem EU-Budget kommen, vier Fünftel aus den Mitgliedsstaaten.

Für mich ist es ein Paradigmenwechsel, dass die EU sich jetzt auch in ausdrücklichen Budgetzahlen zu ihrer Sicherheitsverantwortung bekennt. Das braucht Europa und das erwarten die allermeisten Bürgerinnen und Bürger.

Und schließlich erläuterte Jandl auch die Bedeutung von PESCO (Permanent Structured Cooperation), die eine laufende strukturierte Koordinierung der Sicherheits- und Verteidigungsaktivitäten seitens der Mitgliedsstaaten möglich macht und so

dazu beiträgt, dass die sehr hohen Summen, die aus den Verteidigungshaushalten kommen, in Zukunft sparsamer und effektiver eingesetzt werden, weil Doppelgleisigkeiten und Lücken im gesamteuropäischen Rahmen vermieden werden können.

 

Identität Europas? „Wir tendieren dazu, die Tragödien zu vergessen.“

Die entscheidende Grundlage für alle diese politischen Fragen lieferte mein guter Kollege David Lega. Er betonte, dass sein Großvater nicht in ein Konzentrationslager verschleppt worden wäre, hätte es damals schon eine Struktur wie die EU gegeben.

So persönlich und gleichzeitig so allgemeingültig und grundsätzlich hat Lega eine große Sache ausgesprochen: „Wir sprechen zu wenig darüber, was durch die europäische Integration überwunden worden ist. Wir tendieren dazu, die Tragödien zu vergessen, als Generationen nach dem zweiten Weltkrieg müssten wir viel mehr darüber reden“, sagte David Lega wörtlich.

Und ich stimme ihm aus vollem Herzen lautstark zu!

Ja, wir müssten über Handel oder Verteidigung sprechen, so Lega. Aber wir würden Gefahr laufen, so mein schwedischer Kollege, dass die nächste Generation kein Gefühl mehr für die Tatsache haben könnte, dass unser Teil der Welt jahrhundertelang von Krieg und Gewalt geprägt gewesen ist, was sich erst jetzt und erst durch die europäische Integration geändert hat.

19. Dezember 2019 Blog

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