Wir leben in einer Welt, die in den Wechselbeziehungen der Staatengemeinschaft mehr Konkurrenz und weniger Kooperation kennt, als das von den 1990er Jahren bis etwa zur Finanz- und Staatsschuldenkrise der Fall war. Ganz ohne Alarmismus lässt sich sagen, dass die Verfolgung kurzfristiger eigener Interessen in den Vordergrund getreten ist – gegenüber der gemeinsamen Arbeit an nachhaltigen Wegen im Interesse der globalen Entwicklung.
So selbstverständlich es ist,
- dass ein Bürgermeister oder eine Regierungschefin zuerst für die eigene Gemeinde oder das eigene Land da ist, so selbstverständlich es auch ist,
- dass ein für einen Wahlkreis namens Österrreich gewählter Abgeordneter für die Menschen dieses Wahlkreises zu sprechen und zu handeln hat, so selbstverständlich ist es weiters,
- dass derartiges Sprechen und Handeln in all diesen Fällen am besten in Kooperation mit Anderen Wirksamkeit entfaltet!
So ist auch dieses großartige Stück Satire zu verstehen, Humor vermag Dinge auf den Punkt zu bringen: https://bit.ly/2jTatPQ
Die Welt im Konkurrenzkampf jenseits der kooperativen Haltungen zeigt sich täglich in allen Newstickern rund um den Globus, seien es Handelskrieg-Szenarien in der globalen Politik, populistische Vorurteile gegen Regeln für fairen Handel in mancher nationaler Politik, sei es der provokante Bruch eines internationalen Abkommens durch den Iran oder das vorläufig alternativlose Auslaufenlassen des wohl bedeutendsten Abrüstungsvertrages der Menschheitsgeschichte, Außenminister Alexander Schallenberg hat sich dazu geäußert: https://bit.ly/2LY3L9F
Immer und immer wieder betone ich, dass der europäische Beitrag zur globalen Entwicklung der kooperative Ansatz ist und auch sein muss. Das hat mehrere Gründe:
- Erstens hat kein anderer Kontinent in der eigenen Geschichte so deutlich erfahren, wir zerstörerisch der Konkurrenz-Ansatz werden kann. Europa ist friedlich und nachhaltig wohlhabend geworden durch den kooperativen Ansatz.
- Zweitens resultiert daraus eine Verpflichtung, nach innen den Ansatz der Kooperation in einer freien Gesellschaft zu leben und zu fördern.
- Und drittens gibt es für einen wirtschaftlich so starken Teil der Welt, der aufgrund seiner guten Entwicklung ein Sehnsuchtsort für viele Menschen aus anderen Kontinenten ist, die Verpflichtung, den kooperativen Ansatz beispielhaft zu präsentieren, seine Vorteile zu kommunizieren und die Kooperation auch einzufordern.
Sich an den ersten Punkt stets zu erinnern und den zweiten Punkt mit Leben zu erfüllen, das ist schwierig genug, wie die tägliche Praxis zeigt.
Den dritten Punkt wirklich voll umzusetzen, ist die schwierigste und wichtigste Aufgabe, weil es hier viel aufzuholen gilt.
Das meine ich, wenn ich von einem nach außen starken Europa spreche, wie ich es ständig tue. Dass wir etwa in der Frage des Abrüstungsabkommens ganz klar in der nur kommentierenden Rolle sind, darf uns nicht egal sein. Es schmerzt an Haupt und Gliedern. Wir tragen auf dieser Welt so viel bei, aber bei solchen entscheidenden Fragen, in denen es um unsere eigene Sicherheit geht, wird über unsere Köpfe hinweg entschieden. Dabei könnten wir mit dem typisch europäischen Kooperationsansatz ganz sachlich verständlich machen, dass die Menschheitsfamilie in der Abrüstung zusammenhalten muss, dass Verständnis für die Positionen Russlands und der USA angebracht ist, dass sie sich nicht in Zweisamkeit an ein Abkommen binden wollen, während der Rest der Welt – anders als bei der Unterzeichnung des ausgelaufenen Abkommens 1987 – in Sachen Rüstung beinahe nach Belieben schalten und walten kann. Europa könnte und müsste also in der Vermittlungsrolle sein, um alle in Frage kommenden Mächte an einen Tisch zu bekommen und zu einem neuen Abkommen zu bewegen. Mangels Stärke nach außen sind wir von dieser Rolle noch weit entfernt. Nicht zuletzt deshalb bin ich dankbar, in der neuen Periode im Europäischen Parlament nun für die Aufgaben in der parlamentarischen Diplomatie, die Wege in eine gute Zukunft bahnen sollen, mitverantwortlich zu sein.
Wie zur Bestätigung meines Ansatzes für Kooperation statt Konkurrenz – was übrigens den guten und sinnbringenden Wettbewerb nicht ausschließt, sondern einschließt! – habe ich in einem meiner Sommerlektüre-Bücher einen schönen wissenschaftlichen Beleg dafür gefunden, wie menschengerecht Kooperation im Vergleich zu Konkurrenzdenken ist. Dort findet sich Folgendes:
„In einer Studie spielten zwei Versuchsteilnehmerinnen ein strategisches Wirtschaftsspiel miteinander. Dabei wurde eine Spielerin unter zwei Bedingungen belohnt: (a) Wenn beide Spielerinnen kooperierten, erhielt jede eine moderate Belohnung, und (b) wenn eine der Teilnehmerinnen die andere hereinlegte, bekam sie eine große Belohnung und die andere nichts. Zwar verstärkten beide Belohnungen die dopaminerge Aktivität, doch der größere Zuwachs ergab sich nach der Kooperation.“
Das Buch ist von Robert Sapolsky und heißt „Gewalt und Mitgefühl“. Der Untertitel namens „Die Biologie des menschlichen Verhaltens“ darf nicht als biologistisch-ideologisch missverstanden oder gar als Infragestellung des freien Willens des Menschen, der andernorts allenthalben vorkommt, gedeutet werden. Ich finde das Buch sehr lesenswert. Und dass in dem oben beschriebenen Experiment die Teilnehmenden offenbar alle Frauen waren, darf zu denken geben; besonders uns Männern.