Sobotka: Leidenschaft, Argumente, Fakten

Der NÖ Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbund hat die Arbeit von Wolfgang Sobotka als Landesobmann für ein ganzes Jahrzehnt durch ein Buch gewürdigt. Ich durfte einen Beitrag zu diesem Buch schreiben, in dem ich auf Wolfgang Sobotka als besondere politische Persönlichkeit eingehe.

Hier findet sich ein PDF-Scan aus dem Buch, samt Coverinfos:

Hier findet sich der Text im Wortlaut:

Prädestiniert

Sich in einer reflektierten Würdigung des Wirkens von Wolfgang Sobotka auf wenige Seiten zu beschränken, fällt nicht leicht; zumal in diesem Beitrag auch Familienpolitik vertieft thematisiert werden soll. Sehr gerne trage ich zu diesem Buch bei, weil es Gelegenheit bietet, einmal festzuhalten, wie substanziell kräftig politisches Wirken sein kann.

Augen auf und das Ganze wahrnehmen
Die Weltbevölkerung wächst. Allen Unkenrufen zum Trotz ist während des Anwachsens der Bevölkerungszahl durch mehr Freiheit und mehr Globalisierung auch der Wohlstand mehr geworden und die Armut weniger; empfehlenswerte Bücher dazu: Rosling et al.: ,,Factfulness“ (2018) und Norberg: .Progress“ (2016). Das Durchschnittsalter von uns Europäerinnen und Europäern steigt. Immer mehr Älteren stehen immer weniger Jüngere gegenüber; Schirrmacher: .Das Methusalem-Komplott (2004). Das kann auf Dauer nicht funktionieren, nicht für die Wertschöpfung und nicht für die sozialen Sicherungssysteme.

Innerhalb Europas existiert ein starkes Gefälle in der Bevölkerungsentwicklung. Von Teilen des europäischen Territoriums, die nicht – oder: noch nicht – EU-Territorium sind, etwa vom Westbalkan, drängen Menschen in die stärkeren europäischen Volkswirtschaften.

Dasselbe gilt innerhalb der Europäischen Union, weshalb die EU -Kommission unter Ursula von der Leyen erstmals ein Ressort zur .Demografie“ ins Leben gerufen hat. Die Kommissarin ist meine gute ehemalige Kollegin Dubravka Suica aus Kroatien. Sie hat eine Mammutaufgabe übernommen. Die Bedeutung des Ressorts ist groß, weil die demografische Entwicklung jene Fakten schafft, mit denen kommende Generationen noch in Jahrzehnten leben werden müssen.

Erste Nebenbemerkung: Dem Klimawandel zu begegnen ist eine Herausforderung für die gesamte Menschheit, in deren Bewältigung Europa die Führungsrolle übernehmen muss, weil es sonst kein Teil der Welt tut. Zu bewältigen ist der Klimawandel nicht durch eine ersatzlose Zerstörung von Strukturen oder gar staatliche Restriktionen der Kinderzahl, das wäre zynisch; sondern nur durch den Aufbau neuer und besserer Strukturen. Soziale und technologische Innovation ist gefragt.

Zweite Nebenbemerkung: Migration für die alleinige Lösung der tristen demografischen Entwicklung Europas zu halten, ist beinahe noch zynischer und nicht evidenzbasiert. Denn erstens geht es um große Teile ganzer Alterskohorten, die in Europa ausfallen – und naturgemäß nicht innerhalb einer Generation plötzlich wieder auftauchen können-, und zweitens ist in einigen Teilen der Welt, aus denen Migration nach Europa versucht wird, wo Menschen größtenteils durch Falschinformationen entwurzelt werden, gerade die Demografie eine Stärke, ein Hoffnungsschimmer, eine Chance auf Zukunft, Entwicklung, Wohlstand. So viel zur Makro-Perspektive.

Herz öffnen und persönliche Betroffenheit verstehen
Ob und wie viele Kinder sie bekommen, bestimmen Frauen und Männer selbst. Das ist eine ureigenste Frage der persönlichen Lebensführung. Diese Selbstbestimmung, diese Freiheit, wird verantwortungsvolle Politik stets verteidigen. Die Entscheidungen, die erwachsene Menschen in Österreich und europaweit in der Familienplanung treffen, kommen aber oft nicht zur Umsetzung. Jahr für Jahr zeigen die einschlägigen Studien, dass die Zahl der Kinder, die auf die Welt kommen, viel niedriger ist als die Zahl der Kinder, die erwachsene Menschen sich in ihrer Familienplanung tatsächlich wünschen. Das hat biologische Gründe. Zweifellos. Das liegt an der Art der Partnerschaften oder deren Fehlen. Auch. Aber: Das hat auch gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Ursachen.

Wenn es mehr Sozialprestige bedeutet, ein teures Auto zu fahren, ein besonderes Smartphone zu nützen oder sich einen Luxusurlaub zu leisten als ein Kind zu haben, dann stimmt etwas nicht. Und mit kühlen Kopf von der wirtschaftlichen Seite betrachtet: Wenn Menschen das Gefühl haben, in Sachen Kinder sei das volkswirtschaftliche Risiko individualisiert, der Nutzen aber vergemeinschaftet – Nolte: ,,Generation Reform“ (2004) -, dann stellen sie ihren Kinderwunsch zurück, weil sie nicht ausgenützt werden wollen. Und wenn Politik nicht klar durch Worte und Taten vermittelt, dass echte Entscheidungsfreiheit voraussetzt, dass staatliche Strukturen nicht einseitig Optionen erschweren, dann ist diese Politik nicht zukunftsfähig.

Öffnung des politischen Systems in Richtung Zukunft
Der NÖAAB war immer ein Zentrum der Zukunftsfähigkeit, besonders im Feld der Familienpolitik, auch unter der Führung von Wolfgang Sobokta. Der obige Versuch, einzuordnen, warum Familienpolitik relevant ist, hat viel mit Wolfgang Sobotka zu tun. Denn er ist jemand, der nach Evidenz sucht, der den Dingen mit Neugier auf den Grund geht, der die Makro- und die Mikroperspektiven einfängt und zu Grundlagen seiner Entscheidungen macht.

Wir haben jahrelang – eigentlich: jahrzehntelang – für familienpolitische Maßnahmen gekämpft, die mit Bundeskanzler Sebastian Kurz schnell Realität geworden sind. Als familienpolitisch engagierter Mensch hat man den Eindruck, sich auf andere Politikfelder konzentrieren zu dürfen, weil Österreich heute ein familienpolitisches Musterland ist. Beispiele vom Kinderbonus bis zur Familienbesteuerung zeigen das. Was über viele Perioden auf Bundesebene nicht umsetzungsfähig gewesen war, ist innerhalb weniger Jahre gelebte Realität. Und bei uns im Land Niederösterreich nimmt Familienpolitik eine herausragende Stellung ein. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und unsere zukünftige NÖAAB Landesobfrau, Landesrätin Christiane Teschl-Hofmeister, sind Garantinnen dafür.

Aber selbstverständlich bleibt familienpolitisch viel zu tun. Die Wertschätzung für Kinder, deren Rechte, die Präsenz von Kindern im öffentlichen Raum, die Würdigung der Begleitung von Kindern in den Familien, im Bildungs- und im Gesundheitssystem, in Kultur, Sport und in vielen anderen Bereichen können und müssen wachsen.

Für dieses und andere wichtige Themen wird Wolfgang Sobotka weiterhin geradestehen, auch nach seinem Ausscheiden als NÖAAB-Landesobmann. Er wird aber auch den Kopf hinhalten, weil das seine Art ist. Er scheut die Debatte nicht. Er sucht sie. Das macht ihn zu einem starken Parlamentarier und zu einem prädestinierten Nationalratspräsidenten. Sobotka ist ein musischer Mensch und ein intellektueller Kopf. Faule Kompromisse gibt es mit ihm nicht, schon gar nicht in intellektueller Hinsicht. Eine Meinung ist für ihn so stark wie die zugrundliegenden Argumente und diese wiederum so stark wie deren Basierung auf Fakten. Er atmet ein parlamentarisches Politikverständnis auch, indem für ihn Anliegen der Bürgerinnen und Bürger, die wir parlamentarisch vertreten dürfen, gleichzeitig Auftrag sind. Er tut das eine, ohne das andere zu lassen. Er ist ein aufmerksamer Zuhörer, wenn er landauf-landab unterwegs ist; und er bereichert als oberster Repräsentant des heimischen Parlamentarismus auch Österreichs europäische und globale Rolle mit klarer Schwerpunktsetzung etwa auf den Westbalkan, den Nahen Osten und die interparlamentarischen Vernetzung weit über die Grenzen Österreichs hinaus.

,,Eine Meinung ist für Wolfgang Sobotka so stark
wie die zugrundeliegenden Argumente
und diese wiederum so stark
wie deren Basierung auf Fakten.“

1. Dezember 2020 Blog Christiane Teschl-Hofmeister, Europa, Europaparlament, Johanna Mikl-Leitner, Klimawandel, Landesobmann, Nationalratspräsident, NÖAAB, Wolfgang Sobotka, Zukunft Europas

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