Brüssel/EU-weit (APA/dpa) –
EU-Staaten und Europaparlament haben sich auf einheitliche Standards für Mindestlöhne in der Europäischen Union geeinigt. Nach Angaben des Verhandlungsführers des Parlaments, Dennis Radtke beinhaltet der Kompromiss Standards, wie gesetzliche Mindestlöhne festgelegt, aktualisiert und durchgesetzt werden sollen. Zudem sehe das Gesetzesvorhaben vor, dass EU-Länder Aktionspläne festlegen müssen, um die Tarifbindung zu steigern, wenn deren Quote unter 80 Prozent liegt.
Dies bestätigte der deutsche Abgeordnete am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Das Leben von Millionen Beschäftigten werde sich erheblich verbessern, so der CDU-Politiker Radtke. Die EU-Länder teilten mit, dass gesetzliche Mindestlöhne künftig mindestens alle zwei Jahre aktualisiert werden sollen. Eine Ausnahme gebe es für Länder, die einen automatischen Indexierungsmechanismus anwenden. Hier gelte eine Frist von vier Jahren. Die Sozialpartner müssen den Angaben zufolge an den Verfahren zur Festlegung und Aktualisierung der Mindestlöhne beteiligt werden.
Beide Seiten müssen den Kompromiss noch formell bestätigen. Dann haben die EU-Länder zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht zu übertragen.
Im Oktober 2020 hatte die EU-Kommission bereits einen Gesetzentwurf vorgeschlagen. Bei der nun erfolgten Einigung bestand die Herausforderung, dass die EU-Verträge enge Grenzen setzen: Denn die Europäische Union darf keine konkreten Lohnhöhen vorgeben, sondern nur Leitlinien erlassen.
Insgesamt würden 25,3 Millionen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen von der EU-Richtlinie profitieren, sagte die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Evelyn Regner (SPÖ). Staaten mit einem hohen Anteil an kollektivvertraglicher Abdeckung wie in Österreich, wo bereits 98 Prozent aller Arbeitnehmer durch Kollektivverträge abgesichert sind, müssen keine Mindestlöhne einführen. „Neben einem Ausgleich der Polarisierung auf dem Arbeitsmarkt ist auch die Schließung der Lohnschere zwischen Frau und Mann ein wichtiger Faktor, der durch diese Richtlinie adressiert wird“, so Regner. 60 Prozent der Mindestlohnverdiener seien Frauen, deren Situation durch einen fairen Mindestlohn am europäischen Arbeitsmarkt deutlich verbessert werde.
Der ÖGB feierte ebenso „good news für Millionen von ArbeitnehmerInnen in Europa: Ihre Löhne könnten sich damit entscheidend verbessern“, so ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian. „Aufgrund der geografischen Lage würden wir natürlich von höheren Mindestlöhnen in der EU profitieren“, betonte er. Österreich sei ein Hotspot für Arbeitskräftemobilität mit vielen Pendlern aus Nachbarländern.
Die Delegationsleiterin der Grünen, Monika Vana, bezeichnete die Einigung als wichtigen Schritt in Richtung Sozialunion und Umsetzung der Säule sozialer Rechte. „Es muss selbstverständlich sein, dass der Mindestlohn existenzsichernd ist. Neben dem Mindestlohn braucht es nun auch ein europaweites Mindesteinkommen“, forderte Vana. Die Einigung sei auch ein Schritt zur Überwindung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles. „Vor allem Frauen sind in schlecht bezahlten Jobs beschäftigt, und der europaweite Mindestlohn ist ein Schritt in Richtung Gleichstellung der Geschlechter“, so Vana.
Auch die ÖVP-Europaabgeordneten begrüßten die Einigung: „Die Einigung auf europaweite Standards bei Mindestlöhnen ist ein Meilenstein in Richtung einer sozialeren Europäischen Union“, sagte der Erste Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas. „Das österreichische Modell der Sozialpartnerschaft wird europaweit gestärkt.“ Das österreichische System der Kollektivverträge werde nicht unterlaufen, sagte Lukas Mandl.