Utl.: EU-Abgeordneter: Ukraine wird notfalls alleine weiterkämpfen – Mandl: Trump soll „nicht gegen die Interessen der freien Welt handeln“
Wien (APA) – Der frühere estnische Armeechef Riho Terras sieht wenig Erfolgsaussichten für den Ukraine-Plan von US-Präsident Donald Trump. „Im ersten Gespräch (mit Kreml-Chef Wladimir Putin) alle Trümpfe aus der Hand zu geben, wird die Ukraine nicht an den Verhandlungstisch zwingen“, sagte der konservative EU-Abgeordnete am Freitag vor Journalisten in Wien. „Ich kenne die Ukraine sehr gut. Die werden kämpfen. Die werden nicht aufgeben.“
Terras bezog sich auf die Absicht Trumps, die russischen Eroberungen in der Ukraine anzuerkennen. Die Ukraine werde keine Verhandlungen anfangen, wenn sie „keine Möglichkeit hat, etwas zurückzubekommen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Europaparlament bei einer Pressekonferenz mit seinem Fraktionskollegen Lukas Mandl (ÖVP). „Das schlechteste Szenario ist, dass die Ukraine allein kämpfen muss – nicht, dass sie aufgibt. Dieses Szenario sehe ich nicht“, sagte Terras.
ÖVP-Europaabgeordneter gegen „Diktatfrieden“
„Wir wollen Frieden, aber nicht Diktatfrieden. Die Geschichte zeigt, dass Diktatfriede zu Unrecht und Zerstörung führt“, betonte Mandl. Den US-Präsidenten forderte er auf, sich seiner Rolle als Führer der freien Welt bewusst zu werden. Dies bedeute auch, „nicht gegen die Interessen der freien Welt zu handeln“. „Selbstverständlich bleibt klar: Nichts wird entschieden über die Ukraine ohne die Ukrainerinnen und Ukrainer“, so Mandl. „Vor allem nicht ohne die Europäer“, fügte Terras hinzu.
Der konservative estnische Politiker wies darauf hin, dass jeder Europäer derzeit statistisch 1,2 Tassen Kaffee pro Monat für die Unterstützung der Ukraine ausgebe. „Wenn wir das auf drei Tassen pro Monat vergrößern, ist es möglich für die Ukraine, diesen Krieg zu gewinnen“, sagte Terras. Sollte die Ukraine verlieren, bekomme Russland ein Land mit 40 Millionen Einwohnern hinzu. „Russland wird diese Ressourcen nutzen, um weiterzukommen. Er wird nicht an der Grenze mit Polen oder den baltischen Staaten aufhören, wenn wir nachlassen“, mahnte der EU-Abgeordnete.
EU muss sich „stärker machen, ansonsten werden wir verlieren“
Terras forderte massive Investitionen in die EU-Verteidigung, aber auch einen Mentalitätswandel – auch mit Blick etwa auf die US-Ambitionen auf Grönland. „Das Problem ist, dass Trump und Putin Eishockey spielen, die Europäer aber immer noch Eiskunstlauf betreiben“, veranschaulichte der baltische Ex-Militär. „Wir müssen uns stärker machen, ansonsten werden wir verlieren“, mahnte er. Dabei hätte die EU durchaus genug Ressourcen, um sich den USA und Russland entgegenzustellen – etwa als größter Handelspartner der USA. „Wir haben die gleichen Mittel wie die Amerikaner.“
Estland werde sich gegen eine russische Aggression jedenfalls militärisch verteidigen, notfalls auch alleine, betonte Terras. So habe das 1,4-Millionen-Einwohner-Land mit 55.000 Soldaten eine Armee, die so groß sei wie jene Österreichs. „Wir verteidigen uns. Wir werden das mit und ohne Verbündeten tun“, sagte er auf die Frage, ob sich das an Russland angrenzende baltische Land ohne NATO-Schutzschirm halten könnte. Terras wies auch darauf hin, dass in Estland derzeit britische, französische und amerikanische Soldaten stationiert sind – also Vertreter der drei NATO-Nuklearmächte. Diese würden „nicht weglaufen in dem Moment, wo etwas passiert“, sagte er.