Ungarn erfüllt nach Ansicht der großen Fraktionen im EU-Parlament nicht die von der EU-Kommission gestellten Justiz-Bedingungen für eine Freigabe von 7,5 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt. „Die Maßnahmen zur Abhilfe scheinen unangemessen, um die beschränkte Zahl der Mängel zu beseitigen, welche die Kommission in dem Konditionalitätsverfahren ausgewählt hat“, heißt es in einer Analyse der zuständigen Verhandler von EVP, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen vom Donnerstag.
Die Analyse stellt Ungarn bei der Erfüllung der Rechtsstaatsbedingungen für eine Auszahlung der Mittel ein negatives Zeugnis aus. Am kommenden Montag will das Europaparlament eine Debatte über den Stand des Rechtsstaatlichkeitsverfahrens gegen Ungarn abhalten.
Selbst wenn Ungarn alle 17 von der EU-Kommission gestellten Bedingungen vollständig erfüllen würde, „würde das nicht alle Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit beseitigen, die Auswirkungen haben oder ernsthaft riskieren, sich auf das gesunde Finanzmanagement des EU-Budgets auszuwirken“, heißt es in dem der APA vorliegenden Papier der Europaabgeordneten weiter. „Selbst wenn alle 17 Abhilfemaßnahmen bis zum (Stichtag, Anm.) 19. November umgesetzt werden, brauchen viele ein längerfristiges Monitoring, um wirksam zu sein.“ Die EU-Abgeordneten fordern die EU-Kommission auf, weiter den Druck auf Ungarn aufrecht zu halten.
Besonders negativ beurteilt wird die Umsetzung der geforderten Maßnahmen durch Ungarn in folgenden Bereichen: Anti-Korruptions-Taskforce, Stärkung des Anti-Korruptions-Rahmens, freihändige Vergabe von Aufträgen bei EU- und nationalen Fonds, elektronisches System zur öffentlichen Beschaffung, Rahmen zur Beurteilung von Leistungen, Aktionsplan und Training zur öffentlichen Beschaffung, Unterstützungsprogramm für KMU.
Der ÖVP-Europaabgeordnete Lukas Mandl, zuständig in seiner Fraktion für den Rechtsstaatlichkeitsbericht, sagte: „Regierungen wie jene von (Premierminister Viktor, Anm.) Orban glauben nach wie vor, die EU-Institutionen zum Narren halten zu können, und sie glauben, dass das von den eigenen Bürgerinnen und Bürgern nicht bemerkt wird. Aber diese Zeiten sind vorbei. Wir stehen parlamentarisch auch an der Seite der Ungarinnen und Ungarn. Für sie werden wir rechtsstaatliche Standards durchsetzen wie für alle Unionsbürgerinnen und -bürger. Der Konditionalitätsmechanismus wird greifen.“
Wegen Korruption und anderer Verstöße gegen den Rechtsstaat in Ungarn hat die Europäische Kommission im September vorgeschlagen, dem Land Zahlungen in Höhe von rund 7,5 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt zu kürzen. Das Geld sei in Ungarn nicht ausreichend vor Missbrauch geschützt, sagte EU-Budgetkommissar Johannes Hahn. Es ist das erste Mal, dass die Brüsseler Behörde wegen Mängeln im Rechtsstaat eines EU-Staats einen solchen Schritt macht. Die EU-Staaten müssen bis 19. Dezember darüber entscheiden.