Aktuelle APA-Meldung: EU-Staaten einigten sich auf Asylkompromiss

Utl.: Weg frei für „Krisenverordnung“ mit verschärften Maßnahmen – Österreich enthielt sich – Auf Drängen Italiens wurde Absatz zur Seenotrettung aus Gesetzestext genommen

Brüssel (APA/AFP/dpa) – Im Streit um die Asylreform haben sich die EU-Staaten auf einen Kompromiss geeinigt. Die Mitgliedsländer machten nach Angaben der spanischen Ratspräsidentschaft bei der Sitzung der ständigen Vertreter am Mittwoch in Brüssel den Weg für die sogenannte Krisenverordnung frei, die als letzter Baustein der Reform gilt. Die Krisenverordnung sieht deutlich verschärfte Maßnahmen vor, wenn – wie es heißt – durch Migrantinnen und Migranten eine Überlastung der Asylsysteme droht.

Über die Krisenverordnung könnte etwa der Zeitraum verlängert werden, in dem Menschen unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden können. Zudem könnte der Kreis der Menschen vergrößert werden, der für die geplanten strengen Grenzverfahren infrage kommt.

„Es ist ein Schritt in die richtige Richtung um das Große und Ganze in den Vordergrund zu rücken“, begrüßt Österreichs Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) die Einigung. Österreich hat sich bei der Abstimmung aber zusammen mit der Slowakei und Tschechien enthalten. Das Innenministerium bestätigte der APA entsprechende Medienberichte. Polen und Ungarn sollen dagegen gestimmt haben. Die Krisenverordnung geht der Regierung in Wien in einzelnen Punkten nicht weit genug. Man begrüßt aber, dass die Hürde für das Auslösen der Krisenverordnung hochgesetzt worden sei und dass man einer Reform des EU-Asylsystems näher gekommen ist.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich erfreut über die Verständigung der EU-Staaten zu dem Kernelement der geplanten Asylreform. Das sei ein echter „Gamechanger“, teilte von der Leyen am Mittwoch auf der Plattform Twitter (X) mit. Sie begrüße die erfolgreiche politische Einigung der EU-Staaten.

Streit gab es zuletzt zwischen Deutschland und Italien über die Rolle privater Seenotrettungsorganisationen im Mittelmeer. Mit dem Kompromiss hat sich nun Italien weitgehend durchgesetzt: Auf Drängen der ultrarechten Regierung in Rom wurde nach Diplomatenangaben ein Absatz aus dem Gesetzestext genommen, der sich auf die Einsätze der Seenotretterinnen und Seenotretter bezog. Er besagte, dass die Folgen dieser Rettungseinsätze nicht für die Feststellung des Krisenfalls herhalten dürften. Der Absatz steht nun nur noch als Zusatzklausel in dem Entwurf.

Deutschland hatte die Krisenverordnung wegen humanitärer Bedenken lange blockiert, Ende September dann aber bereits einem ersten Kompromiss zugestimmt. Die seit der verstärkten Fluchtbewegung im Jahr 2015 umkämpfte Asylreform soll bis zur Europawahl im Juni 2024 stehen. Dafür müssen sich die EU-Länder allerdings noch mit dem Europaparlament auf das Gesetzespaket einigen, was ebenfalls als vertrackt gilt.

Grundsätzlich sehen die Pläne für die EU-Asylreform unter anderem einen deutlich härteren Umgang mit Menschen aus Ländern vor, die als relativ „sicher“ gelten. Sie sollen künftig nach einem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Dort würde dann im Normalfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob die Antragsstellerin oder der Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll die betreffende Person umgehend zurückgeschickt werden. EU-Länder, die keine Geflüchteten aufnehmen wollen, sollen zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden.

Nach der Einigung heute ist nun der Weg frei für Verhandlungen über das ganze Asyl- und Migrationspaket mit dem EU-Parlament. Dieses hatte eine Einigung der Mitgliedstaaten auf eine Position zur Krisenverordnung zur Kondition gemacht, damit auch über andere Teile des Pakts weiterverhandelt wird.

Der österreichische EU-Abgeordnete Lukas Mandl (ÖVP) will sich dementsprechend für einen baldigen Start der Verhandlungen einsetzen, wie er in einer Aussendung sagt. „Länder und Regionen stoßen bereits an ihre Grenzen. Die Zeit zum Handeln ist jetzt“, pflichtet ihm Angelika Winzig (ÖVP-Delegationsleiterin im EU-Parlament) bei.

„Der Druck des EU-Parlaments hat gewirkt“, freut sich auch die EU-Mandatarin der SPÖ, Theresa Bielowski. Sie zeigt sich aber verwundert darüber, dass Österreich sich enthalten hat, „denn von einer solidarischen europaweiten Verteilung würden besonders Staaten wie Österreich profitieren.“

Kritisch äußerte sich die Grüne Abgeordnete Monika Vana. Eine Reform der EU-Asyl- und Migrationspolitik sei zwar überfällig. „Leider bedeutet der vorliegende Entwurf des Rats kein Ende des Chaos und Leids an den Außengrenzen und die Aufgabe der Seenotrettung ist ein Kniefall vor Italiens Postfaschisten.“

4. Oktober 2023 Presseartikel EU, EU-Außenpolitik, Europa, Europäische Union, Europäisches Parlament, Europaparlament, Haltung und Grundsätze, Innere Sicherheit, Österreich, Sicherheit, verteidigung

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