Aktuelle APA-Meldung: Kosovo fordert von Serbien Auslieferung Verdächtiger

Utl.: Westen ruft zum Dialog auf – Moskau macht Regierung in Prishtina für „Blutvergießen“ verantwortlich

Mitrovica/Belgrad/Prishtina (Pristina) (APA/AFP/dpa/AFP) – Nach tödlichen Zusammenstößen zwischen Polizisten und Angreifern im Nordkosovo suchen die Behörden nach Mitgliedern der offenbar schwer bewaffneten Gruppe. Innenminister Xhelal Svecla forderte am Montag von Belgrad die Auslieferung von sechs Verdächtigen, die sich in Südserbien befänden. Der Westen rief die Regierung in Pristina und Serbien zur Fortführung ihres Dialogs auf.

US-Außenminister Antony Blinken schrieb am Montag auf der Plattform X, vormals Twitter: „Wir fordern die Regierungen des Kosovos und Serbiens dazu auf, (…) unverzüglich zum EU-vermittelten Dialog zurückzukehren.“ EU-Kommissionssprecher Peter Stano sagte vor der Presse in Brüssel, beide Seiten müssten Anstrengungen unternehmen, „damit wir aus dem ständigen Krisenmodus herauskommen und wieder zur Problemlösung durch Dialog gelangen“.

Russland warf der Regierung in Pristina hingegen vor, für das „Blutvergießen“ verantwortlich zu sein. „Es besteht kein Zweifel daran, dass das gestrige Blutvergießen eine direkte und unmittelbare Folge der Vorgehensweise des sogenannten Ministerpräsidenten Albin Kurti ist, Konflikte zu schüren“, erklärte das Außenministerium in Moskau am Montag. Jegliche Eskalation der Situation könne „die gesamte Balkanregion an einen gefährlichen Abgrund führen“, hieß es weiter.

„Nach unseren Informationen werden sechs verletzte Terroristen im Krankenhaus von Nowi Pasar behandelt, und wir verlangen von Serbien, sie unverzüglich den Behörden des Kosovos zu überstellen, damit sie vor Gericht gestellt werden können“, sagte Svecla. Der Angriff sorgte international für Besorgnis.

Der Einsatz sei noch im Gange, hatte der kosovarische Regierungschef Albin Kurti zuvor gesagt. Innenminister Svecla gab überdies an, es seien „eine außergewöhnlich hohe Anzahl von schweren Waffen“, Sprengstoff, Lebensmittel und andere Materialien gefunden worden. „Man kann eindeutig sagen, dass dieses Arsenal für hunderte weitere Angreifer bestimmt war.“

Die Unruhen hatten am frühen Sonntagmorgen begonnen, als bei einem Angriff auf eine Patrouille nach Behördenangaben ein Polizist getötet und ein weiterer verletzt wurden. Etwa 30 bewaffnete Männer verschanzten sich später im Kloster des Dorfes Banjska, bevor das Innenministerium in Pristina am Sonntagabend mitteilte, das Gelände sei nach „Kämpfen“ wieder unter Kontrolle der Behörden. Mindestens drei Angreifer wurden nach Behördenangaben am Sonntag getötet, eine vierte Leiche wurde demnach am Montag entdeckt.

„Vieles wird sich im Laufe der Ermittlungen klären“, sagte Kurti am Montag bei einem Treffen mit dem Sondergesandten der Bundesregierung für den Westbalkan, Manuel Sarrazin. Der Tatort war am Montag abgeriegelt. In Pristina wehten die Flaggen wegen eines Trauertags zu Ehren des getöteten Polizisten auf halbmast.

Nach dem tödlichen Angriff auf die Patrouille sprach Regierungschef Kurti am Sonntag von einem „Terroranschlag“. Er beschuldigte „Verantwortliche in Belgrad“, logistische und finanzielle Unterstützung „für das organisierte Verbrechen“ zu leisten.

Serbiens Präsident Aleksandar Vucic wies jegliche Verantwortung seines Landes für die Vorfälle zurück und erklärte, bei den Angreifern habe es sich um Kosovo-Serben gehandelt. Kurti provoziere „ständig und es tut mir leid, dass einige Serben seinen Provokationen nachgegeben haben“, erklärte Vucic.

Der Serbe traf sich am Montag mit dem russischen Botschafter in Belgrad. Unterdessen warnte der Kreml in Moskau davor, dass die Lage „sehr, sehr angespannt“ sei. Es sei „kein Geheimnis“, dass „sehr oft Provokationen gegen die Serben organisiert“ würden, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

International wurde der Angriff verurteilt. Der Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell sprach von „terroristischen Angriffen“. In den USA appellierte Außenminister Antony Blinken an Kosovo und Serbien, von „Handlungen und Rhetorik abzusehen, die Spannungen weiter entfachen könnten“. Das Außenministerium in Wien verurteilte „den abscheulichen Angriff auf kosovarische Polizeibeamte“ aufs Schärfste. Die Täter müssten zur Verantwortung gezogen und vor Gericht gestellt werden.

Der frühere österreichische Spitzendiplomat und ehemalige Kosovo-Sonderbeauftragter der EU, Wolfgang Petritsch, sagte in der „ZiB2“, der Versuch der Europäischen Union, zwischen Belgrad und Prishtina zu vermitteln, sei gescheitert. Die derzeitige Eskalation sei „die schwerste Krise seit vielen Jahren“. Auch Vucic könne letztlich kein Interesse daran haben, „dass die Sache aus dem Rahmen läuft“. Er habe immer noch das Ziel vorgegeben, Serbien in die EU zu führen.

Der ÖVP-Europaabgeordnete und Kosovo-Beauftragter der Europäischen Volkspartei, Lukas Mandl, appelliert an die kosovarische Regierung, „sich nicht provozieren zu lassen und in die Spirale der Aggression nicht einzusteigen“. Da die Bemühungen der EU-Kommission zur Vermittlung bisher gescheitert seien, müsse die EU-Kommission „ihre Gangart ändern und von der serbischen Regierung vor allem anderen anständiges Verhalten gegenüber dem Kosovo einfordern.“

Vucic müsse „Angriffe von schwer bewaffneten serbischen Milizionären in gepanzerten Fahrzeugen auf die kosovarische Polizei unterbinden, statt sie ‚ganz normalen Bürgern‘ in die Schuhe zu schieben“, erklärte indes Renata Alt (FDP), Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe im Deutschen Bundestag. Für eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Kosovo und Serbien müssten aber beide Seiten Anstrengungen unternehmen.

Das Kosovo mit seiner mehrheitlich ethnisch-albanischen Bevölkerung hatte im Jahr 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt, wird aber von Belgrad bis heute als serbische Provinz betrachtet. Zu den rund 1,8 Millionen Einwohnern des Kosovo zählen rund 120.000 Serben, die vor allem im Norden des Landes leben.

Seit Monaten nehmen die Spannungen im Nordkosovo wieder zu. Ein Auslöser war, dass die Regierung in Pristina im Mai beschlossen hatte, ethnisch-albanische Bürgermeister in vier Gemeinden mit serbischer Mehrheit einzusetzen. Bei den folgenden Ausschreitungen wurden unter anderem mehr als 30 Soldaten der Nato-Friedenstruppe KFOR verletzt.

26. September 2023 Presseartikel EU, Europa, Europäische Union, Europäisches Parlament, Europaparlament, Geopolitik, Haltung und Grundsätze, Österreich, Sicherheit, verteidigung

Teilen:
Zurück nach oben