Einsatz für Energie aus Biomasse

Das Europaparlament ist ein sehr dynamischer Betrieb. Für mich ist es die spannendste politische Arena der Welt. Nirgendwo sonst werden so viele Menschen aus so vielen Staaten mit so vielen Sprachen parlamentarisch vertreten.

Es ist ein großer, fortlaufender Verhandlungs- und Abstimmungsprozess. Das Wichtigste für echten Parlamentarismus ist der ständige Kontakt zwischen den Bürgerinnen und Bürgern, die parlamentarisch vertreten werden, einerseits, und den Abgeordneten andererseits. Dieser Kontakt ist hilfreich und ergiebig, verbessert und veredelt die Materien, die wir hier verhandeln.

So ist es mit dem Thema Biomasse, das heute zur Abstimmung kam. Die Verhandlungen beginnen informell in vielen einzelnen Gesprächen und formal dann in den Ausschüssen des Europaparlaments. Die „Renewable Energy Directive“, mit der die Biomasse neu geregelt werden soll, wurde in den Ausschüssen für Umwelt, Industrie, Verkehr und Regionalpolitik verhandelt. Und diese Richtlinie soll nicht nur im Thema Biomasse zu neuen Regelungen führen, sondern auch in anderen Themen.

Seit der Vorwoche haben zahlreiche Landsleute mit mir Kontakt aufgenommen, weil sie alarmieren wollten, dass ein Unterpunkt in jenem Text, der dem Europaparlament vom zuständigen Ausschuss zur Abstimmung vorgelegt werden sollte, für Österreich gravierende negative Folgen haben könnte.

Dazu sind zwei Dinge zu beachten; erstens: Österreich ist im weltweiten Spitzenfeld, wenn es um erneuerbare Energie geht. Zweitens: Durch den aktuellen Beschluss im Plenum des Europaparlaments kann es gar keine negativen Folgen für Österreich geben, weil im Gesetzgebungsverfahren zunächst das Europäische Parlament nur seine Position für die Verhandlungen mit dem Europäischen Rat und der Europäischen Kommission festlegt. Das ist es, was heute zu diesem Thema im Europaparlament geschehen ist. Es ist wesentlich. Und es ist im Ergebnis ärgerlich. Aber es ist noch kein fertiges Gesetz. Im Europäischen Rat sind die mitgliedsstaatlichen Regierungen versammelt. Sie werden viele Dinge sicher ganz anders sehen als es jener Position entspricht, die am heutigen Tag – im ersten Schritt – im Europaparlament verabschiedet wurde.

Die zentrale Befürchtung vieler Österreicherinnen und Österreicher ist, dass Holz-Biomasse nicht mehr verwendet werden dürfe. Hier ist zunächst anzumerken, dass ein solches Verbot niemals eine Mehrheit finden würde, so weit kann man Vertrauen in die Vernunft der ganz großen Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen haben. Die Idee, die in die Verhandlungen eingebracht worden war und sich im ersten Schritt durchgesetzt hat, ist aber dennoch gravierend: es ist jene, dass Holz-Biomasse im Energiemix nicht mehr als Form der „erneuerbaren Energie“ eingestuft würde.

Sachlich ist das nicht zu begründen; Österreich würde in seinen Bemühungen um den Ausbau erneuerbarer Energie weit zurückgeworfen; für Arbeitsplätze und Wertschöpfungschancen in Österreich mit einer unserer wertvollsten Ressource – Holz – hätte ein solches „Downgrade“ sehr negative Folgen. – Nun war es in den Ausschussverhandlungen offenbar gelungen, statt dieses völligen „Downgrade“, im Europaparlament einen anderslautenden Antrag zur Abstimmung zu bringen, der zumindest einen Anteil an Holz-Biomasse als „erneuerbar“ einstufen würde; und zwar den Anteil, der dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre entspricht. – Klar wäre das besser als die ursprüngliche Idee, das Entwicklungspotenzial der Holz-Biomasse wäre damit aber vernichtet.

Nachdem ich mich in die Materie eingearbeitet hatte, musste ich entscheiden, wie ich im Europaparlament zur „Renewable Energy Directive“ abstimmen werde. Der Abstimmung über die Position des Europaparlaments zur Richtlinie selbst gehen zahlreiche Einzelabstimmungen über die einzelnen Inhalte des Textes voraus. Weil neben sehr vielen sehr positiven Inhalten – unter anderem für die weitere Produktion von Biotreibstoffen, die meine Tiroler Kollegin Barbara Thaler im Verkehrsausschuss dankenswerter Weise erfolgreich hineinverhandelt hatte – eben auch der schwere Brocken für Österreich im Text enthalten ist, war mir nach reiflicher Überlegung und zahlreichen Gesprächen klar, dass ich dem Text meine Zustimmung nicht geben konnte.

Ich danke ausdrücklich jeder Mitbürgerin und jedem Mitbürger, die sich in dieser Sache bei mir gemeldet haben. Ich danke besonders vielen meiner Kolleginnen und Kollegen im Niederösterreichischen Landtag, die mir klar vermittelt haben, was an Sorgen zu diesem Thema an sie herangetragen worden war. So war es für mein parlamentarisches Team und mich selbstverständlich, dass wir uns hier einarbeiten und Stellung beziehen.

Die Position des Europaparlaments hat heute 418 Stimmen bekommen. Mit mir dagegen gestimmt haben 109 Kolleginnen und Kollegen, enthalten haben sich 111. Wir werden die Verhandlungen zwischen Europaparlament, Europäischem Rat und Kommission genau beobachten.

14. September 2022 Blog Dem Klimawandel begegnen, EU, EU-Außenpolitik, Europa, Europäische Union, Europäisches Parlament, Europaparlament, Gemeinden und Regionen, Geopolitik, Haltung und Grundsätze, Österreich, Sicherheit

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