Happy Independence Day unserem wichtigsten Partner

Es stimmt schon, dass nicht alles ist, wie es scheint. Aber das meiste scheint schon, so zu sein, weil es so ist. “What you see is what you get”, sagen die Amerikaner gern.

Und den USA möchte ich am heutigen Independence Day einige Zeilen widmen. Es ist nämlich so, wie es scheint: Immer wieder in den vergangenen 100 Jahren haben uns die USA aus schlimmen Krisen raus gepaukt.

Sie haben maßgeblich den Zweiten Weltkrieg beendet – übrigens auch durch Waffenlieferungen an Russland, das zwar viele Soldaten, aber viel zu wenig Ausrüstung hatte. Sie haben den vor dem aktuellen letzten Krieg auf europäischem Boden beendet, den Balkankrieg, übrigens im Rahmen der NATO. Und ohne die USA wäre Europa auch ziemlich blank angesichts der aus dem Kreml kommandierten Kriegstreiberei.

Niemand von außen hat Europa daran gehindert, eigene Kapazitäten aufzubauen, sich – ganz sprichwörtlich – „in die eigenen Angelegenheiten einzumischen“. Nun können wir abermals nicht allein für unsere Sicherheit sorgen. Wir sind uns selbst im Weg gestanden und wenn wir nicht jetzt die Lehren ziehen, wird es vielleicht keine Anlässe mehr für neue Lehren geben. Die Einigkeit der freien Welt ist zwar einzigartig, aber auch brüchig, viele politische Prozesse sind schockierend kurzatmig.

Man könnte und müsste anlässlich des 4. Juli noch mehr anführen, etwa das Vorbild der USA dafür, dass Demokratie über sehr lange Zeit hinweg funktionieren kann und zu besten Chancen für jede und jeden führt. (Der 6. Jänner 2021 ist furchterregend, aber er wird auch mit der nötigen Ernsthaftigkeit aufgearbeitet. Demokratien können das.) Auch die enge Partnerschaft in wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Hinsicht wäre zu erwähnen.

Ich bin nicht blind oder taub dafür, dass in unseren Gesellschaften da und dort Täter-Opfer-Umkehr versucht wird. Bewusst oder unbewusst wird den Lügen-Narrativen des Kreml gefolgt, wenn etwa behauptet wird, die NATO würde jemanden oder etwas „bedrohen”. Das tut sie nicht. Sie ist ein Verteidigungsbündnis, das auch die Sicherheit von uns Österreicherinnen und Österreichern maßgeblich gewährleistet. Es gibt noch schlimmere Lügen, die verbreitet werden, die hier aber nicht auch noch Erwähnung und damit Verbreitung finden sollen. Es ist ähnlich wie in der Pandemie, nur noch irritierender, weil es um Verbrechen gegen die Menschlichkeit geht. Durch “Foreign Interference” und Desinformation werden einschlägige Inhalte und damit Spaltungstendenzen in unseren Gesellschaften gefördert. Im Europaparlament beschäftigt sich damit bereits der nun zweite Sonderausschuss.

Nicht die USA oder die EU haben die Kremlführung dazu getrieben, statt sich um Arbeitsmarkt, Bildungssystem, Gesundheitseinrichtungen, Pensionen oder Infrastruktur zu kümmern (von Demokratie, Rechtsstaat oder einem konstruktiven Beitrag zur internationalen Gemeinschaft ganz zu schweigen) ständig nur anderen Menschen und deren Staaten an den Kragen zu wollen. Ein beredter Zeuge dafür, was im Kreml schon seit Jahrzehnten am Kochen war, ist Otto Habsburg, über den kürzlich dieser lesenswerte Wiener Zeitung Artikel erschienen ist. In der EU, vor allem in Westeuropa, wurde das verdrängt, weil diese schamlose Gewaltbereitschaft in höchster Staatsverantwortung einfach nicht ins Koordinatensystem unserer modernen Zivilisation passt. Das spricht zwar für diese Zivilisation, die Generationen vor uns aufgebaut haben. Begegnen müssen wir der Aggression aber dennoch. Wir müssen Naivität ablegen.

Und wir als EU tragen viel bei, wo wir die geopolitische Verantwortung der USA ergänzen. Wir sind die stärkste „Soft Power” des Planeten, zahlen am meisten für Entwicklungshilfe. Wir sind zwar nicht erfahren darin, Kriege zu beenden, aber wir können Frieden aufbauen und erhalten. Eindrückliches Beispiel dafür, dass Frieden mehr ist als die Abwesenheit von Krieg, ist Bosnien und Herzegowina. Das Dayton-Abkommen hat Frieden geschaffen. Für nachhaltigen Frieden brauchte es das typisch europäische Modell der „Einigkeit in der Vielfalt”. Wir werden auch, wie Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen es am 1. März in der Sondersitzung des Europaparlaments formuliert hat, die Hand ausgestreckt lassen an das „andere Russland”. Wir bilden eine Landmasse mit Russland und haben jedes Interesse an einem guten Miteinander. Zuerst gehört aber das Gegeneinander überwunden.

Durch mehr Stärke nach außen und mehr Pflege der Freiheit nach innen kann eine – erweiterte – EU endlich tatsächlich zu einer Partnerschaft auf Augenhöhe mit den USA kommen. Eine Partnerin wie eine solche EU wünsche ich den USA anlässlich des Independence Day 2022, verbunden mit dem Dank für die starken Bande schon bisher und die beispielgebende Natur der Vereinigten Staaten von Amerika. Jede Geschichte hat eine Vorgeschichte, die wiederum eine Vorgeschichte hat. Die zukünftigen Geschichten schreiben wir selbst. Mögen es solche werden, die Menschenwürde und Freiheitsrechten zum Durchbruch verhelfen, weltweit. 

(Archivbild)

4. Juli 2022 Blog 4th of July, Außenpolitik, Diplomatie, EU, EU-Außenpolitik, Europa, Europäische Union, Europaparlament, Geopolitik, Independence Day, Krisenbewältigung, Sicherheit, United States of America, USA, verteidigung

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