Wie so viele andere Bereiche von Arbeitswelt und Zivilgesellschaft waren und sind Parlamente jetzt besonders gefordert: Die Arbeit muss nach klaren und strengen Sicherheitsstandards ablaufen, damit wir einander nicht gefährden. Aber die Arbeit ist nicht nur wichtig, sondern auch besonders dringend, um die Krise zu bewältigen, und gehört daher zügig erledigt.
In diesem Sinne hat das Europa-Parlament neue digitale Formen der parlamentarischen Arbeit entwickelt und etabliert. Gleichzeitig ist klar geworden, dass Parlamentarismus ausschließlich auf digitaler Basis unmöglich ist. Der Austausch von Angesicht zu Angesicht – wenn auch mit Abstand – und die Zwischengespräche sind grundlegend dafür, Verhandlungserfolge zu erzielen bzw. Win-Win-Szenarien zu schaffen. Zu danken ist den IT-Expertinnen und -Experten des Europa-Parlaments, die schon im März innerhalb weniger Wochen eine beachtliche Infrastruktur für die digitale Arbeit hochgezogen hatten. Zwei Besonderheiten, denen wir gerecht werden müssen, ist erstens die Orientierung an europäischen Lösungen, soweit das irgendwie möglich ist (etwas, das wir politisch tagtäglich vorantreiben, muss dann auch in einem solchen Moment Ausdruck finden), und zweitens die Vermeidung von Sicherheitslücken und die Ermöglichung der Vertraulichkeit. Online-Sitzungen dürfen nicht dazu führen, dass Nachrichtendienste und andere Akteure aus Teilen der Welt, die mit Europa eher die Konfrontation als die Kooperation suchen, Informationen erhalten, die uns Europäerinnen und Europäer schwächen.
Für einige Wochen auf dem sprichwörtlichen „Holzweg“ gewesen war Parlamentspräsident David SASSOLI, der das Parlament gänzlich schließen wollte. Während weltweit alle Menschen von allen Menschen erwarten müssen, möglichst viel zur Krisenbewältigung beizutragen und sich nicht fallen zu lassen, dürfen wir als Europäisches Parlament nicht das Signal geschlossener Türen aussenden. Außerdem ist die Schließung eines Parlaments auch durch sich selbst rechtlich nicht vorgesehen, wie mein Kollegen Sven SIMON von der CDU, der als Hochschullehrer der Rechtswissenschaften mit der Materie eng vertraut ist, deutlich zu verstehen gegeben hat. Er hat maßgeblich dazu beigetragen, dass das Europa-Parlament arbeiten kann – mit strengsten Sicherheitsvorkehrungen, aber nicht mit einer Schließung, wie sie auch vielen Betriebsstätten und anderen Institutionen nicht möglich ist, wie sie auch demokratiepolitisch fatal wäre. Hier findet sich eine bemerkenswerte Rede von ihm.
Wenn es um Parlamentarismus geht, darf die Zusammenarbeit der Paramente nicht fehlen. Ich durfte heuer in drei Landesparlamenten Österreichs zu Gast sein, um zuzuhören und mitzudebattieren. Hier finden sich die Rückblicke dazu:
Wiener Landtag und Gemeinderat, 28. Jänner 2020:
Kärntner Landtag, 23. Juli 2020:
Salzburger Landtag, Europaausschuss, 5. November 2020:
Parlamentarismus ist nicht ein Teil der Probleme, sondern ein Teil der Lösungen – das gilt auch und gerade für Krisenzeiten wie jetzt. Denn Parlamentarismus bedeutet, dass nicht Gewalt bestimmt – weder die Gewalt einer Obrigkeit noch die Gewalt der Straße. Vielmehr werden die Regeln gestaltet durch Abgeordnete, die nur auf Zeit gewählt sind, und demokratisch legitimiert, nicht, um im eigenen Namen zu sprechen, sondern im Namen derer, die sie vertreten dürfen. Verantworten müssen sich die Abgeordneten gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, gegenüber der Allgemeinheit. – Freilich sind Krisenzeiten für Regierungen und Verwaltungen – den natürlichen Gegenübern der Parlamente – auch Zeiten des „Feuerwehrmodus“. Hier muss schnell agiert, reagiert, angepasst, geholfen werden. Dass es dafür überhaupt einen Rahmen gibt, dafür sind in liberalen, demokratischen, rechtsstaatlichen Systemen Parlamente da.