Aktuelle APA-Meldung: Abraham-Abkommen: US-Utopie oder echte Nahost-Friedensvision?
- guentherbitschnau
 - 6. Juli
 - 3 Min. Lesezeit
 
Utl.: EU-Abgeordneter Lukas Mandl kämpft in Brüssel dafür, aus der 2020 geschlossenen Vereinbarung ein "Muster für einen langfristigen Frieden in Nahost" zu machen - Palästinenserfrage ausgespart

Brüssel/Jerusalem/Washington (APA) - Österreich engagiert sich derzeit so stark wie schon lange nicht mehr für einen dauerhaften Frieden im Nahen Osten. Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) absolviert gerade eine Reise, bei der sie in Ägypten, Jordanien, Israel und im Westjordanland Gespräche führt, im Europaparlament wirbt der EU-Abgeordnete Lukas Mandl (ÖVP) als Koordinator eines überparteilichen Netzwerks für eine größere Bedeutung der Abraham-Abkommen bei dauerhaften Friedenslösungen.
Die im September 2020 auf Betreiben der USA in der ersten Amtszeit von Präsident Donald Trump geschlossene Abraham Accords Declaration ist ein Vertragswerk, das die Absicht auf einen dauerhaften und respektvollen gemeinsamen Weg in Frieden, Wohlstand und gegenseitiger Anerkennung festschreibt. Geschlossen wurde es zwischen den USA, Israel, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain, später traten Marokko und Sudan bei. Für Mandl ist der Abschluss dieser Vereinbarung nicht weniger als "bis jetzt die einzige positive geopolitische Entwicklung in diesem Jahrhundert", wie er im Gespräch mit der APA erklärt.
EU-Abkommen mit den Staaten der Abraham-Akkorde als Ziel
Seit Beginn unterstützt der Wiener, der seit 2017 Europaparlamentarier ist, diese Friedensinitiative, die einer breiten Öffentlichkeit kaum bekannt ist. "Wie wollen dieses Muster für einen langfristigen Frieden in Nahost durch viele parlamentarische Kontakte und Aufklärung fördern. Während andere über die Aufkündigung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel diskutieren, glauben wir, dass die Vision ein Assoziierungsabkommen zwischen der EU und den Staaten der Abraham Accords sein muss." Eine entsprechende Anfrage hat Mandl Anfang Juni im EU-Parlament eingebracht.
Seit heuer ist Lukas Mandl gewählter Koordinator des überparteilichen Abraham Accords Netzwerk im Europaparlament, das in der vorigen Parlamentsperiode von dem Schweden David Lega gegründet wurde. Die aktive Kerngruppe bestehe aus einer Handvoll Abgeordneter mehrerer Fraktionen aus Rumänien, Italien, Deutschland und Österreich, die versuchten, in dieser Sache etwas voranzubringen, sagt der EU-Parlamentarier. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir eine starke parlamentarische Initiative schaffen, die eine solche Zusammenarbeit mit den Abraham Accords Staaten vorschlägt."
Internationales Netzwerk
Mandl versucht, Beziehungen zu anderen politischen Sympathisanten der Abraham Akkorde aufzubauen. Nach eigenen Angaben besuchte er etwa eine entsprechende Kontaktgruppe im US-Kongress, geleitet von Bradley Scott Schneider, und vor ein paar Wochen jene im Vereinigten Königreich, die vom ehemaligen Verteidigungsminister Liam Fox angeführt wird. Auch mit dem Ex-CDU-Vorsitzenden und ehemaligen Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, habe er sich intensiv ausgetauscht.
Laschet ist Vorsitzender des Abraham Accords Institute for Peace and Regional Integration mit Sitz in Berlin. "Die Abraham-Abkommen sind ein Paradigmenwechsel im Nahen Osten. Der Klimawandel, die Transformation der Volkswirtschaften und die Bedrohung durch Extremismus haben die bis dahin wahrgenommene Bedrohung durch einen jüdischen Staat in den Schatten gestellt", ist sich Laschet in einem Grußwort einer 2023 von der NGO "European Leadership Network" (ELNET) herausgegebenen Untersuchung über die ersten drei Jahre der Verträge sicher. Enthalten ist etwa eine Umfrage, wonach 75 Prozent der befragten Deutschen eine Förderung der Abraham-Abkommen durch Deutschland für wichtig halten.
Palästinenserfrage ungenügend adressiert
Die aktuellen Konflikte, der Krieg in Gaza und die militärische Auseinandersetzung zwischen Iran, Israel und den USA, hätten die Überlebensfähigkeit des Abkommens unter Beweis gestellt, glaubt Mandl: "Die schlimmste Phase haben die Abraham Akkorde überstanden." Doch Kritiker wenden ein, dass genau diese Konflikte von den Abraham-Abkommen ausgespart blieben. Sie bezögen nur die sunnitischen Ländern mit ein und ließen dem schiitischen Iran keine Annäherungsmöglichkeit. Und sie adressierten die Palästinenserfrage nicht ausreichend, sodass der Anschein entstehe, als gebe es einen dauerhaften Frieden ohne Einbeziehung der Palästinenser als Partner.
"Donald Trump hat die Idee einer Ausweitung der Abraham-Abkommen wiederbelebt. Das Kernstück dieser neuen Initiative wäre die Ausweitung des Abkommens auf Saudi-Arabien. Die Gründe für das Abkommen und die sich daraus ergebenden Vorteile könnten jedoch weniger von geopolitischen Vorteilen bestimmt sein als vielmehr von ihrer wirtschaftlichen Dimension, wie sie ursprünglich vorgesehen war", hieß es im April in einer Analyse des US-Think Tanks "The Carnegie Endowment for International Peace". "Wenn wir jedoch in der jüngsten Vergangenheit etwas gesehen haben, dann ist es, dass ohne ein glaubwürdiges Bekenntnis zur palästinensischen Eigenstaatlichkeit sich jede Normalisierung als Sisyphusarbeit erweisen könnte - etwas, das sich ewig wiederholt und nie abgeschlossen wird."
"Visionäres Leadership"
"Die europäische Integration hat auch 'nur mit der Wirtschaft' begonnen. Aber die Wirtschaft war grundlegend für Frieden, Verständigung, Kooperation und Wohlstand für Europa", sagt Mandl und verweist zudem auf Zusammenarbeit im Bildungsbereich, bei der die beteiligten Staaten "Unterrichtsmaterialien entwickeln, die zur jeweiligen Geschichte des Landes passen, aber den Frieden mit den anderen in den Mittelpunkt stellen".
Als Träumer inmitten einer brutalen und ganz anderen Realpolitik will sich Lukas Mandl nicht hinstellen lassen. Politik sei Leadership, sagt er: "Und wir versuchen damit, visionäres Leadership für einen nachhaltigen Frieden zu übernehmen."
whl/ths






