EU-Abgeordneter Mandl: Hybride Angriffe sollen Zivilisation schwächen
- guentherbitschnau
 - 29. Juli
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Aktuelle APA-Meldung: EU-Parlamentarier arbeiten an Gegenstrategien - Kolář: "Bei der Bekämpfung von hybrider Einflussnahme müssen wir mit der Bildung beginnen"
Wien (APA) - Der EU-Abgeordnete Lukas Mandl arbeitet gemeinsam mit seinem tschechischen Kollegen Ondřej Kolář (beide EVP) im Sonderausschuss "EU Democracy Shield" an Strategien gegen hybride Angriffe und Desinformation. "Ziel hybrider Angriffe ist es, unsere Zivilisation - und damit Europa - zu schwächen, indem es gespalten wird", sagte Mandl im APA-Gespräch. Denn die Europäische Union sei sich einig: Die Demokratien sind in Gefahr.
Am Beispiel des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zeige sich laut Mandl die Strategie besonders deutlich: "Der Aggressor will uns glauben lassen, er sei das Opfer - das ist eine Täter-Opfer-Umkehr. Und der Aggressor will uns glauben lassen: Wenn ich die Ukraine gefressen habe, werde ich satt sein. Aber in Wahrheit wird der Hunger nur noch größer." Aus europäischer Sicht sei es daher entscheidend, diese Lügen zu erkennen und klar zwischen Täter und Opfer zu unterscheiden. Auch Kolář hielt fest: "Russland war lange Zeit hier in Zentraleuropa präsent. Man weiß dort genau, welche Narrative in einem Land zu verbreiten sind, um es zu spalten."
Mandl wies darauf hin, dass Desinformation zwar ein wesentlicher, aber nur ein Teilaspekt hybrider Kriegsführung ist. "Ich war wenige Wochen vor dem russischen Angriffskrieg in der ukrainischen Stadt Odessa. Dort herrschte ein halber Tag Stillstand am Flughafen, weil es eine Anschlagsdrohung gab. Das ist eines von vielen Beispielen dafür, wie das zivile Leben, auch vor dem militärischen Angriff, gestört und vielfach zerstört worden ist", sagte Mandl. Ziel sei es gewesen, die Gesellschaft zu schwächen und Menschen gegeneinander aufzubringen.
"Gescheiterter Betrugsversuch"
Ein Beispiel für erfolgreiche Abwehr sehe Mandl in Rumänien: Dort wurde ein Wahlgang im Rahmen der Präsidentschaftswahl wegen unzulässiger Einflussnahme vom Verfassungsgericht annulliert - für ihn ein "positives Beispiel". Kolář sagte dazu: "Viele Politiker, besonders aus populistischen Parteien, stellen Wahlergebnisse als manipuliert dar, wenn sie damit nicht zufrieden sind." Das führe dazu, dass Menschen das Vertrauen in Staat und Institutionen verlieren - mit der Folge einer geschwächten und dadurch anfälligen Gesellschaft. Als Beispiel nennt Kolář den US-Präsidenten Donald Trump, man sehe "Parallelen".
Der "gescheiterte Betrugsversuch" bei der rumänischen Präsidentschaftswahl sei laut Mandl maßgeblich über TikTok versucht worden. Der EU-China-Gipfel vergangene Woche habe eine "Tür geöffnet", um Probleme mit der Video-Plattform anzusprechen. "Ich habe keinen Grund zur Annahme, die chinesische Regierung dafür verantwortlich zu machen, aber es ist ein chinesisches Produkt. China wird das Produkt nicht für diesen Angriff zur Verfügung gestellt haben, aber verwendet wurde es dafür. Das gilt es anzusprechen.", so Mandl. Man solle nicht nur über, sondern auch mit China sprechen. Kolář warnte hingegen deutlicher: "Wir müssen uns bewusst sein, dass China ein Rivale ist - und dass China uns auch als Rivalen sieht. Es wird nicht zögern, alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um uns zu beeinflussen."
Kaum Regulierungen in sozialen Medien
Der Digital Services Act (DSA), eine EU-Verordnung, soll durch Regulierung und Schutz der Nutzerrechte eine sicherere Onlinewelt schaffen. "In sozialen Medien gibt es kaum Regulierungen. Viele glauben, sie hätten keine Verantwortung - was natürlich nicht stimmt. Alles hat Grenzen und alles hat Regeln", sagte Kolář. Kritiker hingegen beklagen Einschnitte in die Meinungsfreiheit, dem hält Mandl entgegen: "Nirgendwo auf der Welt ist die Meinungsfreiheit so stark ausgeprägt wie in Europa. Es ist nicht nur die Freiheit der lautesten Stimmen oder der extremsten Positionen. Die Meinungsfreiheit ist auch die Freiheit der leisen Stimmen, der reflektierten Gedanken und der Minderheiten."
Unter der neuen US-Administration sei versucht worden, so Mandl, Europa unter Druck zu setzen und nicht die "europäische Definition" von Meinungsfreiheit gelten zu lassen. Europa habe dies aber nicht zugelassen. "Über den DSA hinaus braucht es eine Kategorisierung der verschiedenen Arten von Inhalten", sagte er.
Der Umgang mit hybriden Einflüssen und Desinformation sei laut Mandl eng mit Medienkompetenz verbunden: "Wenn jemand die Plausibilität einer Information einschätzen kann, ist schon viel gewonnen." Kolář zeigt sich erstaunt, wie wenig diesbezüglich bisher geschehen ist: "Hybride Einflussnahme, Desinformation und Propaganda gab es immer schon. Der Unterschied ist nur, dass es heute neue Mittel zur Verbreitung gibt." In Tschechien sei zudem die Medienkompetenz besonders gering. Kinder würden in der Schule nicht lernen, Informationen zu filtern und mit anderen Quellen zu vergleichen. "Bei der Bekämpfung von hybrider Einflussnahme müssen wir mit der Bildung beginnen", forderte Kolář.
(Das Gespräch führte Jasmin Kobler/APA)









