Von Arbeitsmarkt bis Migration – Das war die Plenarwoche

Ein politisch heißer Herbst hat im Europa-Parlament begonnen. Spätestens mit dieser Plenarwoche ist die parlamentarische Herbstarbeit voll angelaufen. Auch diese Woche habe ich mich bemüht, zusammen mit meinem Team einen Beitrag für ein Europa mit mehr Stärke nach außen und mehr Freiheit nach innen zu leisten und uns an unserem Motto „Rot-Weiß-Rot in Europa“ zu orientieren.

Migration

Wir wissen seit Jahren, was es auslöst, wenn der Eindruck entsteht, Europa würde sich erpressen lassend: Die abscheulichen Verbrechen der Schlepperorganisationen bekommen dann neuen Nährboden. Hilfe in Notlagen wie jetzt ist, wenn man in der Lage ist, zu helfen, eine absolute Pflicht. Der österreichische Innenminister hat persönlich eine Hilfslieferung zum zerstörten Lager angeführt. Österreich errichtet Plätze mit hohen Hygienestandards für 2000 Menschen. Und zwar mit Tempo. Und für die Bewältigung der 2015 ausgelösten Migrationskrise ist wichtig: Österreich hat seit damals pro Kopf doppelt so viele Kinder aufgenommen wie Deutschland und liegt auf Platz 2. Bei Schutzgewährungen für Erwachsene liegt Österreich auf Platz 3. Wir brauchen wie alle Europäerinnen und Europäer jetzt dringend eine nachhaltige Migrationspolitik. Dabei muss das Asylrecht im Vordergrund stehen, wie auch Ursula von der Leyen in ihrer „Rede zur Lage der Union“ betont hat. Die allermeisten Menschen an unseren Außengrenzen haben kein Asylrecht, sondern wurden von kriminellen Schlepperorganisationen mit falschen Informationen um ihre Ersparnisse gebracht und auf eine lebensgefährliche Reise geschickt. Wir müssen vor allem verhindern, dass Menschen entwurzelt werden, müssen Fluchtursachen bekämpfen, der Schlepperei das Handwerk legen, die Außengrenzen schützen, ein System echter breiter Solidarität zur Bewältigung dieser komplexen Herausforderungen innerhalb der EU schaffen und die Ansiedelung von Migrantinnen und Migranten in sicheren Drittstaaten ermöglichen. Die EU-Kommission wird nächste Woche endlich den Vorschlag für das Migrationspaket vorlegen. Im EU-Parlament beginnen wir dann sofort die Verhandlungen. Letztlich gilt: Europa ist der attraktivste Teil der Welt, noch vor Kanada, Australien oder den USA. Europa hat zwar die akuten Spitzen der Migrationskrise seit 2015 nach anfänglichen Schwierigkeiten gut bewältigt, aber es gibt keine stringente EU-Migrationspolitik. Die brauchen wir aufgrund unserer Attraktivität aber sehr dringend. Ich durfte über diese Themen bei Maischberger im Ersten deutschen Fernsehen diskutieren:

Arbeitsmarkt

Schon im August hat mich der durch die Pandemie und die Weltwirtschaftskrise erfolgte Stellenabbau bei einem großen und traditionellen österreichischen Industriebetrieb alarmiert. Ich habe sofort als Arbeitsmarkt-Sprecher im Europa-Parlament in Abstimmung mit Arbeitsministerin Christine Aschbacher und Wirtschaftslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl die EU-Kommission nach Hilfen für Umschulungen gefragt. Denn es geht hier um exzellente Fachkräfte, die hervorragend qualifiziert sind, die ihr Leben lang hart arbeiten und in vielen Bereichen gebraucht werden. Die jüngsten Entwicklungen dieser Woche auf dem heimischen Arbeitsmarkt zeigen, dass die Talsohle noch nicht durchschritten ist. Wir müssen in Sachen Arbeit und Wirtschaft genauso zusammenhalten wie es uns in Sachen Gesundheit seit Beginn der Pandemie gelungen ist. Meine Arbeit besteht darin, die EU-Kommission auf dem parlamentarischen Weg zu Tempo und unbürokratischen Modellen zu motivieren, die wirklich helfen. Wenn Arbeitslosigkeit entsteht, muss alles dafür getan werden, dass sie kurzfristig bleibt, und nicht zu Langzeitarbeitslosigkeit wird.

Fixkostenzuschuss

Unglaublich dominant wurde diese Woche das Thema des neuen Fixkostenzuschusses, den Finanzminister Gernot Blümel für durch die Pandemie und die Wirtschaftskrise besonders betroffene Unternehmen und Arbeitsplätze ermöglichen will. Der Grund dafür war, dass ein Vertreter der EU-Kommission in der Öffentlichkeit in den Raum gestellt hatte, dass diese Hilfe – die zur Gänze aus österreichischem Steuergeld gezahlt wird – durch die EU-Kommission abgelehnt werden könnte. Er hatte also das Gegenteil dessen gemacht, was Ursula von der Leyen einige Tage später in ihrer „Rede zur Lage der Union“ vermitteln wollte, als sie sagte, jetzt- mitten in der Krise! – sei der falsche Zeitpunkt, Hilfen zurückzunehmen.

Eigenmittel der EU und Rabatte Österreichs

Seit Jahren arbeiten wir daran, dass in Bereichen, wo das eine Verbesserung gegenüber dem heutigen Stand bedeutet, die Europäische Union auch selbst Einnahmen haben kann. Das gilt ganz besonders für den Bereich der Umsätze, die Großkonzerne im Feld der Digitalisierung von außerhalb Europas mit uns Europäerinnen und Europäern erzielen, die Kurzbezeichnung dafür ist „Digitalsteuer“. Ebenfalls diskutiert werden eine „Plastiksteuer“ oder andere umweltbezogene Steuern. Nun bin ich jemand, der Steuern grundsätzlich kritisch gegenübersteht, weil sie stets ausgewogen und gerechtfertigt sein müssen, um Motivation und Investitionen nicht zu gefährden. In den oben genannten Bereichen halte ich die Debatte aber für begrüßenswert und möchte sie weiterführen. Wir haben uns diese Woche in einer Abstimmung im Plenum des Europa-Parlaments für die Möglichkeit so genannter „Eigenmittel“ positioniert.

Ein anderer Antrag im Plenum hatte in den Raum gestellt, Rabatte abzuschaffen. Nun hatte Österreich in der Vergangenheit als Nettozahler-Mitgliedsstaat, der auch jenseits der Mitgliedsbeiträge viel zum Funktionieren der EU beiträgt, schon in der Vergangenheit Rabatte in Anspruch genommen. Bundeskanzler Sebastian Kurz war es im Juli im Europäischen Rat – also in der Versammlung der mitgliedsstaatlichen Regierungen – gelungen, die Rabatte zu verteidigen. Der Antrag im Plenum hatte sich also direkt gegen die Position Österreichs gerichtet. Wir haben unser Stimmrecht genützt, um uns gegen diesen Antrag zu wenden.

Desinformation bekämpfen – Demokratie behaupten

Diese Woche fand die erste Vorbesprechung für den Sonderausschuss gegen Desinformation und für die Behauptung unserer liberalen Demokratie statt. Ich habe in der Vorbesprechung, in der die anderen wichtigen Themen intensiv bearbeitet wurden, besonders die Bedeutung von Bildung, besonders Allgemeinbildung, hervorgehoben. Mehr Allgemeinbildung beim einzelnen Menschen bedeutet weniger Anfälligkeit für Verschwörungstheorien und Versuche, Europa durch Falschinformationen und das Aufhetzen von Menschen und ganzen Gruppen gegeneinander zu spalten. Das ist nicht ein entferntes Risiko, das ist tägliche Realität. Deshalb ist der Sonderausschuss so wichtig, um Meinungs- und Pressefreiheit zu verteidigen.

Belarus

Diese Woche haben wir eine Resolution verabschiedet, in der sich das Europa-Parlament als die Vertretung der Bürgerinnen und Bürger der EU hinter die Bürgerinnen und Bürger von Belarus stellt. Für die kommenden Wochen ist es enorm wichtig, dass die Situation in Belarus nicht aus dem Fokus unserer parlamentarischen Arbeit verschwindet, nur weil es vermutlich weniger mediale Aufmerksamkeit bekommen wird, wie es dem Zyklus eines medial präsenten Themas entspricht. Denn das Momentum für die Demokratisierung in Belarus ist jetzt da und gehört genützt, bevor es allenfalls abnimmt. Ich werde kommende Woche die EU-Außenministerinnen und -Außenminister anlässlich ihrer Sitzung dazu auffordern, die Ankündigungen umzusetzen und Sanktionen auf den Weg zu bringen – nicht gegen die Bevölkerung freilich, sondern gegen Personen, die das Regime aufrechterhalten. Den weltweit geachteten Sacharow-Preis, den das Europa-Parlament alljährlich für besonderen Einsatz für Menschenrechte verleiht, will unsere Fraktion der Europäischen Volkspartei an die Opposition von Belarus verleihen, was mein Kollege Christian Sagartz auch öffentlich präsentiert hat.

China

„Systemischer Rivale“: Das ist die Bezeichnung, die sich im akademischen und politischen Diskurs zu China mehr und mehr durchsetzt. Klar ist, dass Europa ein neues Wettbewerbsrecht braucht, damit nicht europäische Unternehmen durch Marktteilnehmer – oft aus China – aufgekauft, Arbeitsplätze und Technologiepotenzial in andere Teile der Welt verlagert werden, weil das unzeitgemäß gewordene EU-Wettbewerbsrechte Fusionen innerhalb Europas verunmöglicht. Diese Woche habe ich mich damit auseinandergesetzt, ob und wo Sanktionen der USA gegen chinesische Wirtschaftsaktivitäten österreichische Betriebe, die in Geschäftskontakt mit chinesischen Partnern stehen, betreffen. Ich bleibe hier aufmerksam. Insgesamt scheint es mir wichtig zu sein, dass wir auf der Basis unseres Einsatzes für Menschenwürde und Freiheitsrechte, daher Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie einen nachhaltig wirksamen Weg einschlagen. Eskalation um der Eskalation Willen ist vermutlich nicht zielführend.

Gemeinsames Verhandlungsformat mit Israel

Ein großer Erfolg der Arbeit für eine engere Partnerschaft der EU mit Israel – wie Österreich sie bereits vorlebt – ist noch kurz vor dem Finale der Plenarwoche zu verbuchen: Der zuständige EU-Kommissar Oliver Varhelyi hat bekanntgegeben, dass er mit dem israelischen Außenminister Gabi Ashkenasi vereinbart hat, dass der EU-Israel-Association-Council wieder tagen soll. Dazu kann man nur sagen: Endlich! Wir haben lange daran gearbeitet. Das ist das entscheidende Format, um das EU-Israel-Associaction-Agreement auf einen zeitgemäßen und zukunftsfähigen Stand zu bringen. Mit den Transatlantic Friends Of Israel im Europa-Parlament (TFI), die ich leiten darf, werde ich den Prozess weiterhin begleiten, um zu einem nachhaltig tragfähigen Abkommen beizutragen, das uns Europäerinnen und Europäern in Sachen Sicherheit, Wirtschaft, Wissenschaft, Innovation, Bildung, Zivilgesellschaft und vielen anderen Bereichen viel bringen wird.

Katastrophenschutz

In der Vorperiode hatte ich den EU-Katastrophenschutz intensiv mitverhandelt. Es ging damals darum, dass nicht Strukturen, wo sie in den Mitgliedsstaaten funktionieren, durch Zentralisierung gefährdet werden, die EU sich aber in die Lage versetzt, im großen Stil nach außen helfen zu können, wenn Stärke gefragt ist, und nach innen den Aufbau lokaler und regionaler Strukturen zu unterstützen. Seitens der EU-Kommission hat es diese Woche aus Anlass der Pandemie einen neuen Anlauf in Richtung Zentralisierung gegeben, gegen den ich mit meiner Unterschrift gewendet habe.

Lebensende.at

Mehr als irgendwo sonst auf der Welt ist Euthanasie – „Sterbehilfe“ – in Europa auf der politischen Tagesordnung. In Österreich gibt es eine Initiative, die sich damit kritisch auseinandersetzt. Die kann man unterstützen. Ich habe das gemacht.

17. September 2020 Blog Arbeitsmarkt, Belarus, china, demokratie, desinformation, EU, EU-Außenpolitik, EU-Migrationspolitik, Europäisches Parlament, israel, Katastrophenschutz, Lebensrecht, Menschenwürde

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