Es ist ein typischer Vorgang, der dazu führt, dass die EU in der breiten Öffentlichkeit vielfach nicht als das wahrgenommen werden kann, was sie ist: Das Beste, was den Menschen unseres Kontinents in politischer Hinsicht je gelungen ist. Und das, was wir brauchen, wenn wir eine Chance haben wollen, im Wettbewerb zwischen China, den USA und anderen Teilen der Welt nicht aufgerieben zu werden, sondern uns zu behaupten, im Sinne kommender Generationen.
Hier meine Sicht der Dinge als parlamentarischer Vertreter Österreichs:
Vor rund zehn Tagen hat sich die Chefin eines Mittelbetriebs in meiner Heimatstadt Gerasdorf, der vom Tourismus abhängt, bei mir gemeldet. „Das kann es nicht sein“, war die Conclusio in der Nachricht an mich. Bezogen war sie darauf, dass die Prüfung des Fixkostenzuschusses, der aus dem Haus von Finanzminister Gernot Blümel zur Auszahlung kommen soll, durch die EU-Kommission langwierig und bürokratisch zu sein schien. Ja, es war sogar der Eindruck entstanden, dass es schon passieren könne, dass die EU-Kommission den Fixkostenzuschuss untersage. – Nicht zu vergessen ist hier: Es geht um Unternehmen, die diese Hilfe zum Überleben brauchen. Es geht um viele Arbeitsplätze.
Ich koordinierte mich mit meinen Partnern in der EU-Kommission und im Finanzministerium, um einen Beitrag zu leisten, die Sache schnell und ohne atmosphärische Komplikationen über die Bühne gehen zu lassen. In der Zwischenzeit hatten sich weitere Unternehmen gemeldet. Eine Ablehnung der Hilfe durch die EU-Kommission wäre ebenso aberwitzig wie inakzeptabel. Aber die sprichwörtliche Milch war schon verschüttet, weil der Eindruck entstanden war, „die EU“ (in Wahrheit ja nur die EU-Kommission, also neben dem Rat das Gegenüber des Europäischen Parlaments) würde Hürden aufbauen, statt Wege zu ebnen – wieder einmal.
Heute kam es in Wien zu einem Gespräch zwischen Finanzminister Gernot Blümel, Tourismusministerin Elisabeth Köstinger und dem Vertreter der EU-Kommission in Österreich, Martin Selmayr. Medienberichten zufolge ist es dort nicht zur Deeskalation gekommen. Eher umgekehrt: es wurde wieder die Chance verpasst, seitens der EU-Kommission zu verdeutlichen, dass es auch ihr ein Anliegen sei, dass Hilfe schnell, unbürokratisch und ohne Gönnerhaftigkeit ermöglicht werde – besonders weil es sich ja um österreichisches Steuergeld handelt, nicht um europäisches, wie auch Gernot Blümel laut Medienberichten heute angemerkt hat.
Ich schätze Martin Selmayr und es ist etwas Besonderes für Österreich, einen der führenden Politikgestalter unserer europäischen Hauptstadt nun als Vertreter der EU-Kommission in Wien zu haben. Aber auch angesichts der großen Hilfen, die nicht zuletzt aus Nettobeitrags-Geld Österreichs in Nettoempfänger-Mitgliedsstaaten fließen, ist es wirklich kokett, mit dem Eindruck zu spielen, eine Hilfe in Österreich stehe zur Disposition. Das hätte nicht passieren dürfen. Es wäre besser gewesen, einzugestehen, dass es durch das Verhalten seitens der EU-Kommission in den vergangenen Wochen zunehmend zu Verunsicherung bei österreichischen Unternehmen sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gekommen ist, dass das gerade in einer Krise nicht passieren sollte, und es von nun an anders zu machen.
Als österreichischer Abgeordneter im Europäischen Parlament und mit Verweis auf die Tatsache, dass die Volksvertretung der Europäerinnen und Europäer nun einmal das Europäische Parlament ist, nicht die EU-Kommission, erlaube ich mir den Hinweis, dass ganz sicher eine Mehrheit meiner Kolleginnen und Kollegen aus allen 27 Mitgliedsstaaten Hilfen aus Österreich für österreichische Unternehmen und Arbeitsplätze niemals zur Disposition stellen würde. Sie würden auch unter allen Umständen vermeiden wollen, dass ein solcher Eindruck steht.