Aktuelle APA-Meldung: Kosovo-Wahlen – Kosovaren wollen Machtwechsel


Prishtina (Pristina)/Brüssel/Wien (APA) –
Von der Parlamentswahl am Sonntag erwarten sich viele Kosovaren einen Wandel. „Es geht um einen Machtwechsel“, sagte Bekim Baliqi, Lektor am Politikwissenschaftsinstitut an der Prishtina Universität, am Mittwochnachmittag in einer Online-Podiumsdiskussion des Österreichischen Instituts für Internationale Politik – oiip. Auch die Journalistin Adelheid Wölfl pflichtete bei: „Es geht um einen Generationswechsel. Es müssen mal andere ran.“
Die Unzufriedenheit der Bevölkerung sei groß, angesichts von Skandalen und Korruptionsaffären, hoher Arbeitslosigkeit, Coronakrise und Enttäuschung über die mangelnde europäische Perspektive. „So eine EU-kritische Haltung habe ich noch nie erlebt“, berichtete Wölfl. Viola von Cramon, Kosovo-Berichterstatterin des EU-Parlaments, betonte, dass es keine Alternative zur EU gebe. „Einer der nächsten Schritte muss die Visaliberalisierung sein“, ergänzte der ÖVP-Europaabgeordnete Lukas Mandl. Die Visaliberalisierung scheitere nicht am EU-Parlament oder der EU-Kommission, die dem Kosovo attestiert hatte, die Voraussetzungen erfüllt zu haben. Es sei eine „krasse Minderheit von Mitgliedstaaten, die das blockieren“, kritisierte Mandl Frankreich und die Niederlande.
Einig waren sich die Experten, dass die linksnationalistische Partei Vetevendosje (Selbstbestimmung) erneut einen Wahlsieg einfahren wird. Die Partei von Albin Kurti liege in Umfragen bei 40 bis 50 Prozent. Die Absetzung der Regierung von Kurti nur zwei Monate nach Amtsantritt hätten viele Kosovaren als unfair empfunden, weil er nicht die Chance bekommen habe, zu zeigen, was er kann, so Wölfl. Aber ob Kurti genügend Stimmen für eine absolute Mehrheit bekommt, ist ungewiss. Die Suche nach einem Koalitionspartner werde schwierig, sagte die Journalistin. Die Kooperation mit der Demokratischen Liga (LDK) des gegenwärtigen Ministerpräsidenten Avdullah Hoti war gescheitert. Die anderen Parteien würden von Kurti und auch seinen Anhängern vehement abgelehnt. Nach Ansicht von Baliqi muss sich die Parteienlandschaft „erneuern“. Denn es handle sich noch vielfach um die „alte Elite“.
Kein großes Wahlkampfthema war der Dialog mit Serbien. Das sei „kein populäres Thema, mit dem die Parteien punkten können“, erklärte Faruk Ajeti vom oiip. Vereinbarungen würde mangels politischen Willens kaum umgesetzt. Dennoch sei der Dialog mit Serbien unvermeidlich, ein bindendes Abkommen zwischen Prishtina und Belgrad „geopolitisch wichtig“. Es ist Voraussetzung für einen EU-Beitritt. Wenn das europäische Projekt an Attraktivität verliere, verstärke das die Instabilität am Westbalkan, so Ajeti. Und Mandl betonte: „Serbien muss den Kosovo anerkennen, um EU-Mitglied zu werden.“ Er verwies aber auch darauf, dass noch fünf EU-Mitgliedstaaten den jüngsten Staat in Europa nicht anerkennen.
Die Frustration gerade bei jüngeren Kosovaren, die die „Abnabelung von Serbien nicht so sehr mitbekommen haben“, ist für die deutsche Grünen-Politikerin Von Cramon verständlich. Gerade aber „die Jungen entscheiden die Wahl“, erinnerte Wölfl. Der Kosovo sei ein „unglaublich junges Land“, der Altersmedian liege bei rund 29 Jahren. Die Jugendarbeitslosigkeit betrage 60 Prozent, die Korruption im Bildungsbereich mache ihnen zu schaffen. Und dennoch gebe es unter den jungen Kosovaren einen „Grundoptimismus“. Die Frauen würden selbstbewusster und viele junge Frauen sich mit Übergangspräsidentin Vjosa Osmani identifizieren. Ajeti pflichtete bei: Trotz aller Herausforderungen und Reformbedürfnisse: Der „Kosovo ist ein demokratisches Vorbild für Region“. (APA)

11. Februar 2021 Presseartikel Blockade, Dialog mit Serbien, EU-Beitritt, EU-Kommission, Jugendarbeitslosigkeit, jüngster Staat Europas, Korruption, Kosovo, Machtwechsel, prishtina, Visaliberalisierung, Vjosa Osmani, Wahlen

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