Aktuelle APA-Meldung: Österreichs EU-Abgeordnete fordern Konsequenzen für Polen

Straßburg – Das Urteil des polnischen Verfassungsgerichts, das den Vorrang des europäischen Rechts infrage stellt, und der Auftritt von Polens Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki am Dienstag hat bei den österreichischen EU-Abgeordneten durchgehend Ablehnung erzeugt. Ein Vertragsverletzungsverfahren wurde etwa gefordert. Anders die FPÖ-Sicht: EU-Mandatar Harald Vilimsky bezeichnete den Umgang mit Polen als Anmaßung, die EU solle sich mit ihren eigenen Rechtsverletzungen beschäftigen.

Als „klassische Opfer-Täter-Umkehr“ bezeichnete die Delegationsleiterin der Grünen im EU-Parlament, Monika Vana, den Beitrag Morawieckis vor dem Europaparlament in Straßburg am Dienstag. So etwas kenne man von Ungarns Regierungschef Viktor Orbán. Polen mache eine neue „juristische Dimension auf“. Es handle sich um eine ganz klare Beitrittsbedingung, dass das EU-Recht vor dem nationalen Recht stehe. Und mit der Haltung Polens werde den Bürgern so das Recht genommen, sich auf dieses zu berufen. So sei auch die Haltung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, sagte Vana, und diese unterstütze sie auch.

Das EU-Recht gelte ausnahmslos für alle Bürger der EU, unterstrich auch Lukas Mandl, ÖVP-Sprecher für Justiz und Innere Sicherheit im Europaparlament. „Wenn es um rechtsstaatliche Prinzipien und den gemeinsamen EU-Rechtsrahmen geht, darf es keine Zweideutigkeiten geben. Das wird das Europäische Parlament Polens Premierminister mit Klarheit vermitteln. Da es hier ums sprichwörtliche Eingemachte geht, um den Kernbestand der Europäischen Union, trete ich dafür ein, alle parlamentarischen Mittel auszuschöpfen, um hier mehr Einigkeit und Eindeutigkeit für die Menschen aller Mitgliedsstaaten zu schaffen.“

Die SPÖ-EU-Abgeordnete Bettina Vollath forderte mit Hinblick auf den EU-Gipfel am Ende der Woche Konsequenzen und von der EU-Kommission die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahren: „Neben finanziellen Sanktionen, die sich aus EuGH-Urteilen ergeben, muss auch das Artikel-7-Verfahren im Rat endlich weitergehen und in konkreten verbindlichen Maßnahmen münden“, zudem ist der seit 2021 in Kraft stehende Rechtsstaatlichkeitsmechanismus umgehend anzuwenden, der Kürzungen vorsieht, wenn EU-Länder EU-Gelder für den Abbau von Rechtsstaat und Grundrechten verwenden.

NEOS-EU-Abgeordnete Claudia Gamon bezeichnete Polens Verfassungsgericht als illegitim. Man stehe auf der Seite der polnischen Bürger, die ihre Rechte verteidigen. Gamon wies zudem auf eine aktuelle Umfrage des EU-Parlaments hin, wonach eine Mehrheit der Polen der Meinung sei, die EU entwickle sich in die richtige Richtung. Fast zwei Drittel der Polen und Polinnen waren hingegen der Meinung, dass sich ihr eigenes Land in die falsche Richtung entwickelt. Es sei klar, dass kein europäisches Steuergeld in die Hände von Regierungen gelangen darf, die offen, bewusst und zielstrebig die europäischen Werte unterwandern. Wir fordern daher die Kommission und den Rat dazu auf, alle Hebel in Bewegung zu setzen.“

„Wir erwarten uns auch, dass sich Bundeskanzler Schallenberg bei seinem ersten EU-Gipfel am Donnerstag hier ganz klar positioniert“, schloss Gamon. Eine ganz andere Haltung legte hingegen die FPÖ an den Tag, für deren EU-Mandatar Harald Vilimsky ist der Umgang mit Polen und den Sanktionsdrohungen eine Anmaßung. Die EU basiere auf Verträgen und es sei genau geregelt, welche Kompetenzen sie habe. In diesem Kontext wies Vilimsky darauf hin, dass die EU selbst mehrfach rechtswidrig gehandelt habe. So sei etwas die Schuldenaufnahme der EU eine Verletzung des Artikel 310 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) . „Damit sollte sich die EU beschäftigten“, und die Verfassungsgerichte anderer Länder sollten in Ruhe gelassen werden.

Der Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas, (ÖVP) sagte in einem Interview mit dem „Kurier“: „Zum Schutz der europäischen Werte, des Rechts und der europäischen Idee kann die EU deren Verletzung und Ignorierung nicht zulassen. Es geht nicht um ein einfaches Vertragsverletzungsverfahren, sondern um die Weigerung, europäisches Recht als Grundlage anzuerkennen.“ Er siehe die Entwicklung mit großer Sorge, „weil diese Krise an den Fundamenten der EU rüttelt.“ (APA)

19. Oktober 2021 Presseartikel Außenpolitik, EU-Recht, Europa, Europäische Kommission, Europäische werte, Europäisches Parlament, Grundrechte, Justizwesen, Polen, Rechtsstaatsmechanismus, Vertragsverletzungsverfahren

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