Im EU-Parlament steht am Mittwoch die Abstimmung über eine Entschließung zur Kooperation bei der Bekämpfung der Kriminalität in der Westbalkan-Region an. Sie hat nicht nur das Ziel, Rechtsstaatlichkeit in diesen Ländern zu stärken, sondern auch die sechs potenziellen Beitrittskandidaten von der Wartebank des EU-Erweiterungsprozesses zu lösen. „Wir verteidigen Europa, wenn wir die organisierte Kriminalität bekämpfen“, so der ÖVP-EU-Abgeordnete und Berichterstatter Lukas Mandl.
In dem Bericht werden die Staaten dazu aufgefordert, diese Kriminalitätsformen zu bekämpfen, und auch die EU solle diese Bemühungen durch finanzielle Hilfe und praktische Zusammenarbeit unterstützen. Und es wird ebenso betont, dass organisierte Kriminalität und Korruption in erster Linie den Bürgern und Bürgerinnen der westlichen Balkanregion schaden, also jener und jenen in den Staaten Serbien, Albanien, Montenegro, Kosovo, Nord-Mazedonien und Bosnien-Herzegowina. „Es geht das gesellschaftliche Vertrauen der Menschen untereinander und in das staatliche System verloren„, fasst Mandl die Auswirkungen zusammen. Und all das ergebe wiederum eine Stärkung der nichteuropäischen Einflüsse in dieser Region, „Einflüsse der chinesischen, russischen und türkischen Führungen“, sagte Mandl am Montag in einem Hintergrundgespräch – und diese gelte es nicht weiter wachsen zu lassen.
Dass etwa politische und administrative Verbindungen zur organisierten Kriminalität beseitigt werden müssen, sei aber auch deswegen notwendig, um den EU-Integrationsprozess wieder zu beschleunigen, der ins Stocken geraten ist. Zum einem wegen der fehlenden Begeisterung von Staaten wie Frankreich oder Bulgarien, aber auch in der EU selbst, wie Schattenberichterstatter Andreas Schieder (SPÖ) bemerkt, der den Bericht gemeinsam mit Mandl federführend verhandelt hat. Schieder gibt zu bedenken, dass man in der EU oft zu hören bekomme, man solle vom Balkan lieber die Finger lassen. Während er im EU-Parlament noch einen klaren Befürworter für eine Erweiterung sieht, sei er sich bei der EU-Kommission schon nicht mehr so sicher, „hier habe ich den Eindruck, dass da zu wenig passiert“ – um beim EU-Rat könne man schon von Blockade sprechen.
Jedenfalls will man von den sechs Staaten noch mehr, nämlich analog zu der Freigabe der Stasi-Akten der ehemaligen DDR, dass die jeweiligen Behörden die Archive des ehemaligen Jugoslawiens öffnen. Dies würde einen Vertrauensgewinn bedeuten, und besonders ginge es natürlich um die Archive der polizeilichen und militärischen Dienste, betont Mandl. „Völlige Transparenz für die Öffentlichkeit“, ist daher ein weiterer Kernpunkt in dem Bericht. Aber auch die EU soll handeln, indem sie die Visa-Regelungen mit dem Kosovo ohne weitere Verzögerung liberalisiert. Schließlich sei der Kosovo der einzige der sechs Staaten, wo dies noch nicht der Fall wäre – und dafür gebe es keinen sachlichen Grund, argumentiert Mandl.
Was vonseiten der EU sehr fehlen würde, dass sei ein „stringenter und nachvollziehbarer Beitrittsprozess. Hier muss auch die Europäische Union ihre eigene Rolle bewerten, denn gerade jene Länder, die bei den Reformen schon viel gemacht haben, warten immer noch auf das Grüne Licht für die Beitrittsverhandlungen“, beklagt Schieder etwa den Status von Nord-Mazedonien. Österreich spiele in dem ganzen Prozess jedenfalls eine wichtige Rolle, stellt Mandl fest. Nicht nur sei die Region ein Schwerpunkt der österreichischen Außenpolitik, die Bemühungen werden im Gegenzug auch dementsprechend ernst genommen und Wien so eine Bühne, von der die Staatsoberhäupter des Westbalkans zur EU sprechen würden.
Eines stehe jedenfalls fest, noch sind die Bürger in den westlichen Balkanstaaten europäisch gesinnt, doch aufgrund der anti-europäischen Einflüsse sei schon jetzt nicht mehr jedem dieser Bürger klar, dass die EU in jedem Westbalkanstaat auch die größte Geldgeberin ist – und nicht etwa die Türkei, China oder Russland. Für den ÖVP-EU-Mandatar Mandl ist gewiss: „Jeder europäische Staat – egal ob bereits in der EU oder nicht – wird Europa schaden, aber primär sich selbst und den eigenen Bürgerinnen und Bürgern, wenn er sich auf ein asymmetrisches Verhältnis zu Russland einlässt. Selbstverständlich muss das auch in Beitrittsverhandlungen thematisiert werden“