Ein Europa mit mehr Stärke nach außen – dieses Ziel ist ein zentrales meiner Arbeit für Österreich im Europa-Parlament. Ich bin dankbar, dass ich im Außenpolitik-Ausschuss und auch im Verteidigungsausschuss an der Erreichung dessen mitarbeiten darf.
Tatsache ist, dass es für unsere Sicherheit und unseren zukünftigen Wohlstand entscheidend ist, dass Europa mehr politisches Gewicht im geopolitischen Gefüge bekommt. Aber Hand aufs Herz: Wenn wir es mit Werten wie jenen der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit ernst meinen, müssen wir sie auch mit mehr politischer Kraft ausstatten.
Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin versteht die von ihr geleitete EU-Kommission als „die erste geopolitische“. Das ist – zumindest als Leitmotiv – eine gute Ansage. Sie muss mit Leben erfüllt werden. Der Beitrag des Europa-Parlaments dazu ist groß. Unter de EU-Institutionen gehört das Parlament in aller Regel zu jenen Institutionen, die sich schnell und eindeutig positionieren.
Tempo und Klarheit – diese beiden Faktoren kann der außenpolitische Auftritt der EU in seiner Gesamtheit erreichen, wenn die Mitgliedsstaaten viele Entscheidungen, bei denen das heute noch nicht möglich ist, auch mit Mehrheit treffen können, und nicht unbedingt mit Einstimmigkeit, wie es derzeit noch in außenpolitischen Fragen zwingend notwendig ist, was oft dazu führt, dass die EU sich spät, schwach oder gar nicht positioniert. Die EU darf aber nicht Spielball sein, sondern muss „Spielerin“ sein, also aktiv mitwirken. Bei der Verabschiedung eines neuen EU-Vertrags wird es wichtig sein, dass diese Blockade gelöst wird. Auch ein gemeinsamer fester Sitz im UNO-Sicherheitsrat wäre wertvoll für das geopolitische Gewicht der EU.
Kooperation statt Konfrontation
Zu meinen festen Grundsätzen gehört, dass Europa in der Weltpolitik einen kooperativen Ansatz leben muss, nicht einen konfrontativen. Es weiß wohl kein Teil der Welt so klar aus eigener Erfahrung, dass Kooperation zu Freiheit, Wohlstand und Frieden beiträgt, Konfrontation diese Faktoren aber gefährdet.
Während Europa den kooperativen Ansatz leben muss und wird, dürfen wir nicht übersehen, dass gewichtige Teile der Welt ihre Möglichkeiten in der Konfrontation gegen Europa besser intakt sehen als in der Kooperation. Dieser Ansatz ist zwar – zumindest mittel- und langfristig – ganz sicher falsch, aber er bestimmt unser Sicherheits- und Wohlstandsrisiko, gegen das wir uns wappnen müssen. Dazu kommt, dass antieuropäische Tendenzen teils durch ideologische und extremistische politische Vorstellungen getrieben werden.
Ein breiter Bogen von der Verhinderung von Radikalisierung durch Chancen für alle Menschen weltweit („soft power“) bis zur Schaffung der strategischen Autonomie Europas („hard power“), damit wir uns in Krisen selbst helfen können und nicht einseitige, riskante Abhängigkeiten eingehen, umfasst die einschlägigen Aktivitäten. Immer geht es dabei darum, Europas Einigkeit hochzuhalten und Spaltung zu verhindern. Da die Einigkeit die größte Stärke des heutigen Europa ist, ist das Motiv von inneren und äußeren Kräften, die Europa schwächen wollen, stets die Spaltung unserer Gesellschaften, ganz unabhängig davon, aus welcher Richtung und mit welchen Mitteln die Konfrontation gesucht wird.
Es ist kaum möglich, ein außenpolitisch so bewegtes Jahr wie dieses lückenlos Revue passieren zu lassen. Aber hier findet sich eine Auswahl an Entwicklungen und Momenten, an die wir uns erinnern können, was uns auch dabei hilft, mit einem guten Überblick in das neue Jahr zu starten:
Asien: Die Lage in den Staaten Asiens ist sehr vielfältig. Südkorea etwa gehört zu den globalen Musterländern im Umgang mit der Pandemie und hat damit bewiesen, dass es tatsächlich technologisch und gesellschaftlich auf der Basis von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit über große Krisenfestigkeit verfügt. Mit China, das zweifellos auf Jahrzehnte hinaus weltwirtschaftlich an Bedeutung gewinnen wird, ist die Umsetzung des oben erwähnten kooperativen Ansatzes besonders herausfordernd, weil nach Jahren moderater Kommunikation dieses Jahr und auch schon im Vorjahr eine harte Praxis etwa zu Hongkong, zur Volksgruppe der Uiguren und auch zur Art und Weise, die Umstände von Covid19 zu kommunizieren, zutage getreten ist. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht müssen die Beziehungen auf Gegenseitigkeit beruhen. Hier ein Videopodcast aus der Anfangsphase der Pandemie mit dem Botschafter Südkoreas in Wien:
Brandherde rund um Europa: Das alte Jahr endet mit Krisenherden und teils auch kriegerischen Szenarien rund um Europa: von Belarus über die Ukraine bis nach Bergkarabach reichen Konflikte, die dieses Jahr neu aufgeflammt sind. In Syrien gibt es kaum Entspannung; mit Syrien werde ich mich im neuen Jahr besonders intensiv beschäftigen, da ich die Verantwortung der Fraktion der Europäischen Volkspartei für den Syrien-Bericht übernommen habe und damit „Schattenberichterstatter“ des Europa-Parlaments bin.
Nahost: Positiv war, dass sich Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate durch das Abraham-Abkommen angenähert haben. Israel wird aber nach wie vor durch Terrorgruppen, die hauptsächlich durch den Iran gesteuert werden, bedroht und attackiert. Die EU muss die Zusammenarbeit mit der einzigen rechtsstaatlichen Demokratie der Region intensivieren. Hier findet sich eine aktuelle Panel-Diskussion dazu:
Russland: Trotz erheblicher demokratiepolitischer Defizite und gravierender wirtschaftlicher Schwierigkeiten im eigenen Land versucht die russische Führung enorm viel Einflussnahme von Belarus bis Syrien. Auch die Causa rund den Giftanschlag von Alexei Nawalny ist bis heute nicht restlos aufgeklärt. Wiewohl jegliche Opposition, der Nawalny selbst zugehörig ist und kritische Stimmen unterdrückt werden und schwere Repressionen befürchten müssen:
Türkei: Viel Konfrontationskurs durch die türkische Staatsführung, etwa zur Einhaltung des Migrationspakts. Das war ein TV-Talk im März mit dem türkischen Botschafter in Wen:
USA: Der Ton wird mit dem bevorstehenden Wechsel in der Administration sicher besser. Dass die Kooperation auch in der Sache besser wird, daran müssen wir arbeiten:
Westbalkan: Kaum eine außenpolitische Materie betrifft Österreich so sehr wie der Westbalkan. Mit der Schaffung eines neuen Verhandlungsprocederes konnten manche Blockaden durch einige Mitgliedsstaaten auf dem Weg der EU-Integration der sechs europäischen Staaten des Westbalkan gelöst werden, ebenso ist der Neustart des Kosovo-Serbien-Dialogs positiv hervorzuheben, der uns dem gemeinsamen Weg einen Schritt näher gebracht hat:
Zusätzlich könnte hier noch Venezuela reflektiert werden; sowie selbstverständlich der Brexit, dem ich mich in einem anderen Blog-Eintrag widmen werde; auch Afrika und speziell Nordafrika, was ich im Zusammenhang mit der zukünftigen EU-Entwicklungshilfe- und Asylpolitik tun werde. Weiters richte ich noch mein Augenmerk auf weiter außenpolitische Themen, wie Desinformation, Presse- und Medienfreiheit oder hybride Kriegsführungen, mit denen wir uns als Europäische Union auseinandersetzen müssen.